piwik no script img

Archiv-Artikel

Müllanlage wirbt für Bürgermeister

WAHLHILFE Die Deponie Ihlenberg soll bei der vergangenen Kommunalwahl den amtierenden Bürgermeister mit Flyern unterstützt haben. Das Wirtschaftsministerium prüft nun den Fall

„Wir helfen auch anderen Parteien“

GERD-JÜRGEN BRUKSCHEN, DEPONIE IHLENBERG

Seit 15 Jahren ist Detlef Hitzigrat Bürgermeister der westmecklenburgischen Gemeinde Selmsdorf. Die Wiederwahl des parteilosen Politikers bei den Kommunalwahlen am 7. Juni war deshalb keine Überraschung. Diesmal jedoch wurde er im Kampf um die Wählerstimmen von der landeseigenen Deponie Ihlenberg unterstützt.

Die auf dem Ihlenberg gelegene Entsorgungsanlage ist besser bekannt unter dem Namen VEB Deponie Schönberg. Jahrzehntelang hatte die Bundesrepublik dort, vor den Toren Lübecks, Sondermüll verklappt. Berichte über ein erhöhtes Krebsrisiko für Mitarbeiter haben in jüngster Vergangenheit am Image der Deponie gekratzt.

Mindestens 1.000 Wahlflyer hat das Unternehmen laut Schweriner Volkszeitung für den Bürgermeisterkandidaten gedruckt. Für den Geschäftsführer Gerd-Jürgen Bruckschen ist das nichts Ungewöhnliches: „Wir helfen auch anderen Parteien, wenn sie uns fragen“. Dass der größte Steuerzahler der Gemeinde Wahlflyer für Hitzigrat gedruckt hat, findet die SPD-Fraktion „anrüchig“. Rechtlich sei wohl aber nichts zu beanstanden, sagt Fraktionschef Christian Albeck.

Die Aufsicht der landeseigenen Deponie führt das Wirtschaftsministerium. In der nächsten Aufsichtsratssitzung im Herbst stehe das Thema auf der Agenda, sagt Sprecher Gunnar Bauer. Den Kritikern gibt er Recht: „Wahlwerbung durch ein Landesunternehmen soll es nicht geben.“ Ob die Deponie gegen Beschlüsse des Aufsichtsrates verstoßen hat, werde geprüft.

Bei den Bürgermeisterwahlen in Selmsdorf erhielt Detlef Hitzigrat 55 Prozent der Wählerstimmen. Der SPD-Kandidat Christian Albeck trat zum dritten Mal gegen den seit 1994 regierenden Verwaltungschef an und kam auf 45 Prozent. Neben seiner Funktion als Bürgermeister sitzt Hitzigrat außerdem im Beirat der Deponie Ihlenberg. UTA GENSICHEN