: Sozialhilfeempfänger weggezaubert
Hartz IV wirkt magisch: Vielen Städten kommen gut 90 Prozent der Stützebezieher abhanden, weil sie nun als erwerbsfähig gelten. Kosten trägt nun der Bund
BERLIN rtr/afp ■ Die Kommunen haben die Masse der früheren Sozialhilfeempfänger als erwerbsfähig eingestuft und damit enorme finanzielle Lasten auf den Bund abgewälzt. In vielen Städten sank die Zahl der Stützebezieher nach offiziellen Angaben um 90 Prozent, weil sie ins Arbeitslosengeld-II-System eingruppiert wurden, für das der Bund aufkommt. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement reagierte gelassen und wollte keinen neuen Streit mit den Kommunen aufkommen lassen.
Die Klärung der Frage, wie viele Alg-II-Bezieher tatsächlich erwerbsfähig seien, wolle er nicht „mit neuen Vorwürfen an die Kommunen verbinden“, betonte Clement. Er sei sicher, dass es künftig keine „Verschiebebahnhöfe mehr gibt“, und kündigte eine deutlich engere Kooperation des Bundes mit den Städten und Gemeinden an, um den Konflikt dauerhaft zu entschärfen. Auch seine Drohung, die finanzielle Beteiligung des Bundes an den Unterkunftskosten für Langzeitarbeitslose zu kürzen, erneuerte er nicht. Der Minister räumte ein, selbst zu „Missverständnissen“ beigetragen zu haben. Zunächst hatte Clement den Kommunen vorgeworfen, auch offenkundig arbeitsunfähige Menschen ins Alg II zu schieben. Nach Hartz IV gelten Personen, die täglich drei Stunden arbeiten können, als erwerbsfähig.
Nach einer Städte-Umfrage der Berliner Zeitung ging die Zahl der Stützebezieher in Berlin, Essen, Erfurt und Halle um etwa 90 Prozent zurück. In Schwerin sank die Zahl der Sozialhilfeempfänger von knapp 9.000 im Dezember auf 125 oder um 98,6 Prozent. In Frankfurt (Oder) erhalten 97,6 Prozent der Stützebezieher Alg II und in Aachen 95,8 Prozent. In Dortmund dagegen sank die Zahl der Sozialhilfeempfänger nur um 63,6 Prozent und in Köln um 73,3 Prozent.