: Dreisatz für deutsche Unis
Ein Trio krempelt die Unis um – Gebühren, Hochschulautonomie und Bologna-Prozess sollen sie marktkonform zurechtstutzen. Aufklärung und Demokratie bleiben dabei gewollt auf der Strecke
VON TORBEN IBS
Die Revolution des Hochschulwesens kommt im Dreischritt. Ihre Elemente sind: Autonomie der Hochschulen, Bologna-Prozess, der Bachelor- und Masterabschlüsse vorschreibt, und Studiengebühren. Diese drei treten nicht zufällig gleichzeitig auf, sondern hängen zusammen und bedingen einander sogar.
Das unauffälligste Glied dieser Kette ist die Hochschulautonomie. Alle großen Parteien sind sich einig, dass die Unis mit größeren Spielräumen, gerade bei den Finanzen, auszustatten sind, um eigenverantwortlich handeln zu können. Hochschulen sollen selbst entscheiden, was sie mit ihrem Budget anfangen und wie sie es ausgeben.
Erster Schritt in Richtung Autonomie waren Verträge zwischen Hochschulen und den jeweils zuständigen Landesministern. Diese sind jedoch in der Regel Kürzungsvereinbarungen, wie etwa der sächsische Hochschulkonsens von 2003. Bis auf einige Rahmenvorgaben blieb es den Unis überlassen, das Kürzungsdiktat zu erfüllen. In den Fakultätsräten begann ein Hauen und Stechen um Mittel und Stellen.
Die Studierendenvertretungen waren mit dieser Situation zunächst überfordert und mussten ihren Protest neu ausrichten. Statt „Alle gegen Dresden“ hieß es plötzlich „Alle gegen alle“.
Mit der anstehenden Novelle des sächsischen Hochschulgesetzes soll diese Autonomie der Hochschulen nun auf eine breitere gesetzliche Basis gestellt werden. Das probate Mittel dazu ist bereits an anderen Stellen vielfach erprobt: Globalhaushalte. Die Hochschulen sollen so aus der staatlich verordneten kameralistischen Haushaltsführung entlassen werden, um wirtschaftlicher mit den vorhanden Mitteln umgehen zu können. Auch hier heißt das Ziel: Die Selbstverwaltung soll gestrafft und effektiviert werden. Dabei werden jedoch auch Mitspracherechte der betroffenen Gruppen zugunsten einer stärkeren Zentralisierung der Entscheidungsgewalt zurückgedrängt. Autonomie verdrängt Demokratie.
Mehr Effizienz im Hochschulbereich ist auch ein Ziel der Studienreform, in deren Ergebnis die Bachelor- und Masterstudiengänge an deutschen Hochschulen allmählich Diplom- und Magisterstudium ablösen sollen. Der Freiraum Hochschule, in dem selbstständiges Denken befördert werden sollte, wird eingezäunt. Eine wahre Verschulungswelle rollt auf die Universitäten zu. Besonders die geisteswissenschaftlichen Fächer werden sich auf deutliche Änderungen einstellen müssen.
Die Politik hält sich bei der Gestaltung der Bachelor- und Master-Studiengänge weitgehend raus. Es sind nichtstaatliche Akkreditierungsanstalten, die darüber entscheiden, welche neuen Studiengänge zugelassen werden. Wie diese inhaltlich aussehen, entscheiden ganz allein die in ihrer Autonomie gestärkten, aber in ihrer internen Demokratie geschwächten Hochschulen.
Die einzige Stellschraube, die sich die politisch Verantwortlichen vorbehalten, ist die Kontrolle über die staatlichen Geldflüsse in die universitären Globalhaushalte. Auch in Zukunft wird die Höhe dieser Mittel von Jahr zu Jahr in den Landtagen neu debattiert.
Hier greifen nun die Studiengebühren, die dazu dienen, jene Löcher zu stopfen, die durch eine knauserige Landesfinanzpolitik entstehen. Sie sind für die Universitäten die einzige Möglichkeit, ihre Finanzspielräume selbstständig zu erhöhen.
Gebühren verändern den Gesamtcharakter von Bildung. Sie werden bei der Planung der Studiengänge einbezogen. So wird eine Hochschule nur solche Studiengänge zur Akkreditierung freigeben, die sich auch lohnen, bei denen also eine entsprechende Anzahl von Studierenden Beiträge in die universitären Kassen einzahlt. Die Studierenden wiederum sollen Bildung in erster Linie als Investition in sich selbst begreifen, steigert ein universitärer Abschluss doch ihren Wert als Humankapital. Finanzierungsmöglichkeiten sowie Kosten-Nutzen-Kalküle treten anstelle aufklärerischer Ideale, und statt Humboldt regiert der schnöde Mammon.
Auch die Autonomiebestrebungen sorgen nicht für eine bessere Bildung, sondern vor allen Dingen dafür, dass sich solche Denkweisen in den Entscheidungsgremien der Universitäten durchsetzen und dominant werden. Welcher Rektor möchte sich schon vorhalten lassen, er hätte seine Hochschule am Markt schlecht positioniert. Die angestrebte Vergleichbarkeit der Studiengänge auf europäischem Niveau, die durch den Bologna-Prozess erreicht werden soll, steht ganz in der Denke dieses Rational-choice-Ansatzes. Der europäische Bildungsraum ist eigentlich ein Bildungsmarkt. Der Markt setzt sich durch, die Politik schaut zu, hat sie sich doch aller Zuständigkeit entledigt.
In den Studierendenvertretungen hat sich dieser Dreiklang Autonomie-Gebühren-Bologna noch nicht ganz herumgesprochen. Vielmehr doktert man an den einzelnen Phänomenen herum und ist gegen Studiengebühren, für Bologna und fordert selbst mehr Autonomie und Mitspracherechte in den Unis. Auch das taz-Modell erliegt diesem Kurzschluss, dass man nur gerechte Gebührenverteilung brauchte und alles wird gut.
Die universitären Entwicklungen aber sind beispielhaft im Gesamtpanorama eines sich aus allen gesellschaftlichen Feldern zurückziehenden Staates, egal ob im Sozial-, Kultur- oder Bildungsbereich.
Der Autor (26) ist ehemaliger Öffentlichkeitsreferent im StudentInnenRat der Uni Leipzig