„Die Milizen sind eine Bedrohung für Ruanda“

Ruandas Außenminister Charles Murigande fordert eine internationale Militärintervention im Osten des Kongo gegen die dort basierten ruandischen Hutu-Kämpfer. „Kongos Armee muss jede Unterstützung dieser Kräfte beenden“

taz: Die Afrikanische Union (AU) will Truppen in den Osten Kongos zur Entwaffnung ruandischer Hutu-Milizen schicken, und eine AU-Delegation hat letzte Woche darüber mit Ihnen beraten. Was haben Sie der AU vorgeschlagen?

Murigande: Um einen Vorschlag hat die AU uns noch nicht gebeten. Sie wollte so viele Informationen wie möglich: wie die Milizen der Interahamwe und der einstigen ruandischen Armee im Kongo organisiert sind, wie stark sie sind, was für Waffen sie haben, wo sie stehen. Wir sagten, wir würden mit ihnen teilen, was wir haben.

Wollen Sie überhaupt eine AU-Truppe im Ostkongo?

Wir sind für jede Truppe, die dort hingeht und die Milizen aufspürt. Was zählt ist, dass sie entwaffnet werden. Wie, ist egal.

Stellen die Milizen denn eine Bedrohung für Ruanda dar?

Sie sind eine Bedrohung für Ruanda. Manche behaupten, das sei nicht der Fall. Aber: Wenn Bedrohung heißt, dass diese Kräfte unsere Regierung stürzen könnten, sage ich Ihnen, dass sie das nicht können, und wir werden es auch nie zulassen. Aber wenn es heißt, dass sie stehlen, plündern, zerstören können – das können sie. Al-Qaida konnte auch nie die US-Regierung stürzen, aber am 11. September konnte sie töten.

Wie kann eine afrikanische Truppe diese Bedrohung aus der Welt schaffen, wenn das Ruandas Armee während ihrer Präsenz im Kongo 1996 bis 2002 nicht gelang?

Als wir im Kongo standen, reduzierten wir die Schlagkraft dieser Kräfte erheblich. Wir hätten sie vollständig ausradiert, wenn wir nicht 1999 das Lusaka-Abkommen geschlossen hätten (erster Friedensvertrag zwischen Kongos Kriegsparteien, der einen Waffenstillstand und politische Verhandlungen vorsah und ab 2001 umgesetzt wurde, d. Red.). Lusaka legte eine Waffenstillstandslinie fest, die wir nicht überschreiten durften. Die Milizen aber kamen von der anderen Seite durch, bewaffnet von Kabilas Armee, und wir bekämpften sie und dann zogen sie sich wieder zurück. Wenn jetzt also eine AU-Truppe kommt und nicht mit Kongos Regierung kooperiert, wird sie ihre Aufgabe nicht erfüllen können. Wenn Kongos Armee diese Milizen weiter bei sich aufnimmt, kann die AU so lange dableiben, wie sie will, sie wird damit nicht fertig werden. Der Schlüssel liegt bei Kongos Armee. Sie muss jede Unterstützung dieser Kräfte beenden.

Ist Kongos Unterstützung für die ruandischen Milizen so stark wie früher?

Nicht mehr so offen. Es wäre sehr schwer für Kongos Regierung, die Milizen offiziell zu unterstützen, denn einige Regierungsteilnehmer wären dagegen. Aber es gibt Elemente in der Regierung, die jahrelang mit den Milizen zusammenarbeiteten. Sie sagen jetzt: Die halfen uns, als wir sie brauchten, also wie können wir sie jetzt fallen lassen?

Kann die UN-Mission im Kongo (Monuc) eine positive Rolle spielen?

Nichts hindert sie daran. Sie sagt immer, sie hätte kein Mandat zur zwangsweisen Entwaffnung. Aber sie hat ein Mandat, die kongolesische Bevölkerung zu schützen. Die Milizen töten, plündern und vergewaltigen jeden Tag. Also kann die Monuc auch mit ihrem jetzigen Mandat aktiv werden.

Sie haben mit der deutschen Außenstaatsministerin Kerstin Müller gesprochen. Haben Sie den Eindruck, dass Deutschland auch für eine aktivere Intervention ist?

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass dies mein Eindruck war. Aber sie sah die Notwendigkeit ein, diese Kräfte zu entwaffnen. Ob Deutschland dabei eine sichtbare Rolle spielen will, war mir nicht klar. Es fehlt der Wille, das Wissen in Taten umzusetzen. Und es ist sehr widersprüchlich, selbst nichts zu tun und gleichzeitig uns zu sagen, wir dürfen auch nichts unternehmen. INTERVIEW:
DOMINIC JOHNSON, KIGALI