LESENDENBRIEFE
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■ betr.: „Schwachhausen im Siegesrausch“, taz bremen vom 8. Juni

Chausseen zur Heerstraßen

Der anti-französische Siegesrausch der Bremer bezieht sich nicht nur auf die dem Artikel genannten Straßennamen in Schwachhausen, in der Neustadt und in Walle. Er geht noch viel weiter: Bis zum ersten Weltkrieg gab es in Bremen mehrere „Chausseen“, so genannt wegen ihres Baumbestandes und wohl auch, weil einige von ihnen während der napoleonischen Besatzung angelegt worden waren. Als die deutsch-französische „Erbfeindschaft“ nach 1914 wieder blutig aktiviert wurde, entschlossen sich die Bremer Regierenden, die „Chausseen“ zu „entfranzösisieren“ – so entstanden die „Heerstraßen“ in der Hansestadt. Das gefiel dem Senat offenbar so sehr, dass er später weitere repräsentative, breite „Heerstraßen“ (etwa in Horn) hinzufügte, die es bis heute noch gibt. Übrigens: Die Hauptstraße von Bremen-Lesum heißt heute noch „Hindenburgstraße“ – benannt nach jenem Generalfeldmarschall und Reichspräsidenten, der dem Nationalsozialismus Tür und Tor öffnete. DIETER KUTZSCHBACH, Bremen

■ betr.: „Streit um NS-Staatsanwalt“, taz bremen vom 29. Juni

Noch immer Irritationen

Dass sein 2003 verstorbener Kollege, Leitender Oberstaatsanwalt Siegfried Höffler, jemals an einem Sondergericht im NS-besetzten Polen eingesetzt war, kann sich Herr Janknecht, Generalstaatsanwalt a. D., nach Rücksprache mit Kollegen „beim besten Willen nicht vorstellen“: Niemand habe davon etwas gewusst. In der Tat, von der NS-Vergangenheit hoher und höchster Bremer Justizbediensteter war bis vor einigen Jahren tatsächlich kaum etwas bekannt. Die Arbeit über den Blutrichter Kurt Bode, der es nach dem Krieg bis zum Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts in Bremen gebracht hatte, hat erstmals ein grelles Licht auf dieses dunkle Kapitel der Bremer Justizgeschichte geworfen (vgl. taz bremen vom 19. Juni). Wer aber heute noch meint, er müsse den Siegfried Höffler verteidigen, obwohl dieser in den 60er Jahren reihenweise schwerster NS-Verbrechen beschuldigte Täter „außer Verfolgung gesetzt“ hat, der sollte sich vielleicht auch einmal der Mühe unterziehen, dessen Personalakten aus der Nazizeit zu studieren. Aufschlussreich könnten darüber hinaus auch noch dessen Entnazifizierungsakte sein. Auch bei diesen makabren Dokumenten handelt es sich um Originale. Die Annahme, sie könnten „gefälscht“ sein, wie Herr Janknecht mutmaßt, kann durch bloße Augenscheinseinnahme ad absurdum geführt werden. Es scheint also auch heute noch schwierig zu sein, von NS-Tätern in der Bremer Nachkriegs-Justiz zu sprechen, ohne Irritationen auszulösen. Inwiefern ich allerdings mit Herrn Janknecht in der „Einschätzung der damaligen Rechtsprechung aus heutiger Sicht einig“ sein soll, ist mir rätselhaft. Er ist ja offenbar der Meinung, dass die damalige Nicht-Verfolgung von Massenmördern mit dem Argument, sie seien nicht „Täter“, sondern nur „Gehilfen“ gewesen, rechtens war – weil höchstrichterlich abgesegnet. Das erinnert fatal an den Satz von Filbinger, unter den die Ausstellung zur Wehrmachtsjustiz gestellt war. CHRISTOPH SCHMINCK-GUSTAVUS, Bremen

■ betr.: „Wachsende Begehrlichkeiten“, taz bremen vom 2. Juli

Kritische Begleitung notwendig

Bereits in der Beiratssitzung vom 19. Februar hatte sich „Die Linke“ gegen die Rahmenplanung ausgesprochen. Begründung: Es entsteht ein autonomes Siedlungsgebiet am Eingang der Neustadt für Besserverdienende. Diese Wohnungsbaupolitik führt zur weiteren Entmischung der Neustadt. Ökologische Innovationen sind in der Planung nicht vorgesehen. Ein nicht zu ersetzendes Biotop im Herzen der Stadt wird zerstört. So kann die Landschaftsschutzfunktion des Waldgürtels an der kleinen Weser laut Biotop-Gutachten nicht ersetzt werden. Eine Ausforstung des Waldstreifens wurde von den Investoren sehr wohl geplant, um Blickfreiheit auf das Wasser herzustellen. Hier ist also kritische Begleitung durch die Bürger und den Beirat notwendig. THEA KLEINERT, Sprecherin „Die Linke“ im Beirat Neustadt