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Archiv-Artikel

Geschenke für Konzerne

Die Wirtschaft fordert Steuersenkung. Wolfgang Clement ist bereit, er muss nur noch die Gegner in der SPD beruhigen

VON HANNES KOCH

Die Unternehmen bekommen, was sie wollen: niedrigere Steuern. Das scheint als ein Ergebnis des Spitzengesprächs zwischen Bundesregierung und Opposition am kommenden Donnerstag sicher zu sein. Der heute gültige Steuersatz für Kapitalgesellschaften von 25 Prozent wird gesenkt – eventuell sogar auf 19 Prozent. Umgekehrt aber, so heißt es aus der SPD-Bundestagsfraktion, würden die Unternehmen nicht nur ent-, sondern an anderer Stelle auch zusätzlich belastet. Die Mindeststeuer, die Firmen auf ihre Gewinne zahlen, würde angehoben.

Damit hat Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) im Machtgefüge der Bundesregierung Boden gutgemacht. Sein drei Wochen alter Versuchsballon ist nicht abgestürzt, sondern auf große Fahrt gegangen. Die Zahl von 5,2 Millionen Arbeitslosen im Nacken, hatte Clement dafür plädiert, die Unternehmensteuern zu senken – gegen den Willen von Finanzminister Hans Eichel (SPD). Mit Rücksicht auf seine ziemlich leeren Kassen wollte Eichel die von vielen für notwendig gehaltene Reform auf die Zeit nach der Bundestagswahl 2006 verschieben.

Um etwa ein Fünftel hat die rot-grüne Regierung die Steuern für Unternehmen seit der Regierungsübernahme 1998 bereits gesenkt. Doch den Wirtschaftsverbänden, allen voran dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), reicht das nicht. Deren Argumentation erscheint einleuchtend, da die nominalen Steuersätze in Deutschland erheblich höher sind als bei den Nachbarn. Während Aktiengesellschaften in Frankreich rund 35 Prozent Gewinnsteuern entrichten, in Österreich 25 und in Lettland 15, kassieren deutsche Finanzämter knapp 39 Prozent – 25 Prozent Körperschaftssteuer plus kommunale Gewerbesteuer. Weil sich damit ein Konkurrenznachteil zu manifestieren scheint, der in Zeiten von Rekordarbeitslosigkeit schwer zu erklären ist, sind Eichel und die mit ihm befreundeten Teile von SPD und Grünen auf dem Rückzug.

Doch die Gegner einer Steuersenkung haben noch nicht ganz aufgegeben. Sie stützen sich auf neue Zahlen der EU. Danach ist die reale Steuerbelastung der Unternehmen in Deutschland mit 21 Prozent am niedrigsten im Vergleich zu allen anderen EU-Staaten. Erklärung: Nirgendwo sind die nominalen Steuersätze so hoch, nirgendwo gibt es aber auch so viele unternehmensfreundliche Ausnahmen. Damit der Staat angesichts einer weiteren Steuersenkung nicht ganz Pleite geht, will SPD-Finanzexperte Joachim Poß einen Teil der verlorenen Milliarden wieder einkassieren. Ein bevorzugter Punkt: die Mindeststeuer. Bislang müssen Konzerne mindestens 40 Prozent ihrer Gewinne in jedem Fall versteuern – egal, wie viel Verluste sie theoretisch gegenrechnen könnten. Diese Grenze steigt eventuell auf 50 Prozent. Außerdem wird daran gedacht, die nicht abgeschriebenen Verluste am Ende eines jeden Jahres steuerlich zu annullieren. Dann könnten die Unternehmen nicht mehr eine Bugwelle von roten Zahlen vor sich herschieben und sich damit bis ans Ende aller Tage die 50-Prozent-Mindeststeuer sichern. Das reicht allerdings noch nicht zur Gegenfinanzierung, die Finanzminister Eichel als Leitlinie ausgegeben hat. Fallen könnten daher auch einige Möglichkeiten der steuerlichen Gewinnreduzierung, die die Firmen bislang begünstigt haben.

Trotzdem ist klar: Es gibt Ärger in der SPD-Bundestagsfraktion. Zur Befriedung der Linken um Ottmar Schreiner überlegt die SPD-Fraktionsspitze deshalb, auch mit der Forderung nach einer stärkeren Belastung reicher Privatpersonen in die Verhandlung zu ziehen.

Die bisherige Gefechtslage deutet freilich darauf hin, dass die Firmen, die es am nötigsten hätten, am wenigsten profitieren: die Personengesellschaften, also vor allem die großen Mittelständler. Im Gegensatz zu den Konzernen (39 Prozent) liegt ihr höchster Satz bei 42 Prozent Einkommensteuer – ein klarer Nachteil. Weil Änderungen kompliziert wären, wird es dabei einstweilen aber bleiben. Im Angebot hat Rot-Grün bislang nur leichte Verbesserungen bei der Gewerbesteuer. Die offene Flanke beim Thema „Mittelstand“ wird bleiben.