Klimaschutzzertifikate benachteiligen die Bahn

EMISSIONSHANDEL Geplante Versteigerung von CO2-Verschmutzungsrechten nützt Auto und Flugzeug

BERLIN taz | Es klingt absurd, aber die Befürchtungen sind nicht unberechtigt: Die geplante EU-weite Neuregelung des Handels mit CO2-Verschmutzungszertifikaten könnte dazu führen, den elektrischen Schienenverkehr gegenüber dem Auto- und dem Flugverkehr noch stärker als bislang zu benachteiligen. Beispielsweise könnten Kunden von der umweltfreundlichen Bahn in Flugzeuge oder Autos gelockt werden.

Das legt eine Studie nahe, die das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) jetzt erstellt hat. Demnach könnte der Schienenpersonenverkehr in Deutschland jährlich rund 2,5 Millionen Fahrgäste an andere Verkehrsträger verlieren. Das würde einen zusätzlichen Ausstoß von rund 770.000 Tonnen des klimaschädlichen Gases Kohlendioxid (CO2) im Jahr bedeuten.

Nach den Plänen der EU soll der elektrische Schienenverkehr ab 2013 seine CO2-Verschmutzungsrechte zu 100 Prozent ersteigern. Für die Bahnen würde der Strom teurer, was sich auf die Fahrpreise niederschlagen dürfte. Kunden könnten deshalb auf andere Verkehrsträger umsteigen. Der Straßenverkehr soll vom Emissionshandel befreit bleiben, der Flugverkehr erstmals in den Emissionshandel einbezogen werden. Allerdings müssten nur 15 Prozent der Verschmutzungszertifikate ersteigert werden, 85 Prozent bekämen die Fluggesellschaften geschenkt. Entsprechend gering könnten die Preissteigerungen ausfallen.

Diese Pläne stellen „eine Ungleichbehandlung dar, die Verwerfungen im Verkehrssektor mit ungewollten Konsequenzen nach sich zieht“, heißt es in der ZEW-Studie. Dies würde zu einer Benachteiligung der Eisenbahn führen und damit dem Ziel einer Minderung der CO2-Emissionen entgegenwirken, prognostizieren die Forscher. Die ZEW-Simulationen wiesen sogar darauf hin, dass es zu einem absoluten Anstieg der CO2-Emissionen im Verkehrsektor kommen könnte.

Umwelt- und Verkehrsverbände sind alarmiert. „Eigentlich ist der Emissionshandel ein sinnvolles Klimaschutzinstrument“, sagte Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. „Aber wenn man ihn so unausgegoren ansetzt, entwickelt er sich zum Klimakiller.“ Die Allianz fordert Nachbesserungen. „Wir müssen über Instrumente nachdenken, die die Bahn entlasten, bis der Flugverkehr vollständig in den Emissionshandel aufgenommen wird“, sagte Allianz-Sprecherin Barbara Mauersberg. Dies könnten beispielsweise geringere Steuern und Abgaben für die Bahn sein. RICHARD ROTHER