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Archiv-Artikel

Mit ruhiger Hand zum Arbeitsamt

PROZESS Amtsgericht verurteilte einen 35-Jährigen weil er seine Bagis-Sachbearbeiterin bedrohte. Die hatte sich weder für seine Sprachprobleme noch für sein Privatsituation interessiert

Von AG

Nach dem Buchstaben des Gesetzes war es falsch, was Deniz C. getan hat. Das Amtsgericht verurteilte den 35-Jährigen gestern zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je acht Euro. Er soll der Bagis-Sachbearbeiterin Birgit W. Gewalt angedroht haben, falls sie die Kürzung seiner Sozialleistungen nicht zurückziehe.

Angeklagt war C. vor der Schöffenkammer wegen räuberischer Erpressung. Der Vorwurf ließ sich vor Gericht nicht halten: Die Belehrungen seiner Sachbearbeiterin konnte er, seit 2000 in Deutschland wohnhaft, wegen Sprachproblemen nicht verstehen. Auch vor Gericht erschien C. mit einem Dolmetscher. „Er dachte, die Leistungen seien ihm zu Unrecht gekürzt worden“, so die Staatsanwältin. Daher sehe sie nur den Tatbestand der versuchten Nötigung, „keine Bereicherungsabsichten“.

Bei drei Terminen war es im Jahr 2007 zu Auseinandersetzungen gekommen. Zwei Mal wurde der Sicherheitsdienst der Bagis gerufen. C. soll mit einer Geste gezeigt haben, er wolle W. erschießen. „Das haben wir öfter“, sagt sie, „aber bei ihm kam es mir ernst vor“. Bei einem anderen Termin habe er gedroht, er werde sie mit einer Giftspritze töten. Beide seien „auf 300“ gewesen, so die Aussage des Sicherheitsmannes. Er halte C. nicht für gefährlich. Und: „Der hat einfach nicht verstanden, warum er Sanktionen bekommt.“

Was Gericht und Staatsanwaltschaft anerkannten, war der Bagis-Sachbearbeiterin indes nicht aufgefallen. Verständigungsprobleme habe sie nicht bemerkt. Die Bitte ihres „Kunden“ um einen Sprachkurs schlug sie aus. Stattdessen ordnete sie an, er solle sich auf einen Ein-Euro-Job bewerben und einen Bewerbungskurs besuchen. Und kürzte dann seine Leistungen um ein Drittel. Sie fand, er habe sich nicht ausreichend bemüht.

Mit gebrochener Stimme spricht der Angeklagte auf Türkisch. „Ständig hat sie Druck gemacht“, übersetzt der Dolmetscher. Und: „Ich hatte immer Hinterkopf, was nun kommt.“ Seine private Situation habe W. nicht berücksichtigt. Seine Frau hatte sich mit den drei Kindern 2007 von ihm getrennt, „W. hat gesagt, das interessiert sie nicht“.

Eine Sachverständige attestiert C. eine leichte Borderline-Störung mit Tendenz zu Depressionen. Schon in seinem ersten Jahr in Deutschland war eine depressive Störung festgestellt worden. Verminderte Schuldfähigkeit – nicht auszuschließen. Zum Zeitraum der Taten habe er zudem Schlafstörungen gehabt.

Die Verurteilung beruhe auf der glaubhaften Aussage von Birgit W., so die Richterin. Und regt in Bezug auf die Geldstrafe an: „Das können sie auch abarbeiten, wenn sie Zeit haben.“ AG