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Archiv-Artikel

Zeller schießt übers Ziel hinaus

Der CDU-Vorsitzende bezeichnet die rot-rote Regierung als „Linksblock“, dessen Abwahl ein„Tag der Befreiung für Berlin“ sei. Später nennt er seine Worte einen „Fehler“. Der Schaden bleibt

von Matthias Lohre

Seine Empörung las Joachim Zeller vom Blatt ab. „Verärgert und wütend“ über die Personaldebatte sei er, sagte der seit Wochen innerparteilich stark kritisierte Landesvorsitzende. Am Ende seiner Rede vor dem CDU-Kreisparteitag am Mittwochabend hatte Zeller nicht nur seinen Anspruch angemeldet, beim Landesparteitag Ende Mai wiedergewählt zu werden. Fast beiläufig hat er neben dem 8. Mai noch einen zweiten „Tag der Befreiung für Berlin“ ausgemacht: den Tag nämlich, an dem der „Linksblock“ im Berliner Abgeordnetenhaus abgewählt werde.

Zellers erste öffentliche Rede seit Wochen schreckte am Donnerstag das politische Berlin auf. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zeigte sich „bestürzt“ über Zellers „unsäglichen Vergleich“, der PDS-Landesvorsitzende Stefan Liebich forderte – wenig überraschend – Zellers Rücktritt: „Diese Verharmlosung des Nationalsozialismus, diese Verhöhnung seiner Opfer, diese Beleidigung der Alliierten sind unentschuldbar.“ Die Grünen lästerten, mit Zellers Geschichtsbewusstsein könne es nicht weit her sein.

Die Kritik kam an. Zeller sagte gestern: „Ein Vergleich war weder gewollt noch beabsichtigt und in der jetzigen Situation ein Fehler.“ Zur Verteidigung wandte er ein, er habe sich in der Diskussion in Steglitz-Zehlendorf dafür eingesetzt, „dass der 8. Mai 1945 als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus eine singuläre historische Bedeutung hat“. Er dürfe „weder mit historischen Daten der Vergangenheit noch der Zukunft verglichen werden“.

Die CDU/FDP-dominierte Bezirksverordnetenversammlung Steglitz-Zehlendorf hatte sich wochenlang nicht dazu durchringen können, das Kriegsende am 8. Mai öffentlich als „Tag der Befreiung“ zu werten. Zellers CDU-interne Gegner werfen dem Landeschef – nicht nur in dieser Affäre – mangelnde Durchsetzungsfähigkeit vor. Zu ihnen gehören der Landtagsabgeordnete Michael Braun und der Kreisvorsitzende von Steglitz-Zehlendorf, Ingo Schmitt. Beobachter vermuten daher, Zellers Äußerungen zielten weniger auf den vorgeblichen „Linksblock“ im Senat, sondern auf seine konservativen Kritiker in der CDU. Ihnen will der Ostberliner Zeller offensichtlich zeigen, dass auch er den Kalten Krieger geben kann.

In seiner Rede machte er die „Hinterzimmer-Machtspielchen“ seiner Kritiker für eine eventuelle Wahlniederlage 2006 verantwortlich. Unterstützung bekam Zeller von seinem Nachfolger als Kreisvorsitzender in Mitte, Stephan Tromp: „Wir tragen Verantwortung für die ganze CDU Deutschlands.“ Der Hintergrund: Bei der Bundestagswahl 2006 hofft die Hauptstadt-Union auf bis zu drei Direktmandate, die zum Zünglein an der Waage werden könnten. 2002 konnte die CDU keinen Wahlkreis gewinnen.

Die Nerven liegen also blank. Bis April werden die Kreisvorstände neu gewählt. Ihre Zusammensetzung entscheidet darüber, wer die Union künftig dominieren wird. Dabei will jeder zum richtigen Lager gehören, auch der einflussarme Landesvorsitzende. Anders als seine Kritiker Michael Braun oder Ingo Schmitt weiß Zeller nur den mitgliederschwachen Kreisverband Mitte hinter sich. Dessen Delegierte applaudierten nach seinem Satz vom „Tag der Befreiung“ nur schleppend. Aber an sie waren seine Worte ja auch nicht gerichtet.