Algeriens Frauen bleiben Fräulein

Reform des rückständigen algerischen Familienrechts bleibt hinter weiblichen Erwartungen zurück: Die Frau bleibt unmündig, was ihre Heirat angeht. Nur im Scheidungsfall kriegt sie jetzt ein paar Rechte. Frauenverbände kritisieren Kniefall vor Islamisten

von REINER WANDLER

Algeriens Frauenverbände sind enttäuscht. Das algerische Parlament hat diese Woche einstimmig ein neues Familiengesetz verabschiedet, das anders als erwartet nur wenige Verbesserungen bringt. Algeriens Frauen sind auch weiterhin „ein Leben lang minderjährig“, kritisieren die Frauenverbände.

Seit 1984 die damalige Einheitspartei FLN ein Familiengesetz verabschiedete, das auf den Regeln des Korans beruht, machen sich die algerischen Frauenverbände für die gesetzliche Gleichberechtigung stark. Ihre Hoffnungen ruhten in den vergangenen zwei Jahren auf einer von Präsident Abdelasis Bouteflika einberufenen Kommission. Doch die war vor allem darauf bedacht, nicht den Zorn der Islamisten auf sich zu lenken.

Egal, wie alt sie sind, können algerische Frauen also weiterhin nicht selbst über ihre Ehe entscheiden. Um zu heiraten, brauche sie einen männlichen Tutor. Im Normalfall ist dies der Vater oder ein Bruder. Dieser gibt dann für die Frau das Ja-Wort. „Die Beibehaltung des Tutors ist eine Erniedrigung für die algerischen Frauen“, wettert die Vorsitzende der Vereinigung für die Verteidigung und Förderung der Frau, Akila Oaured.

Für die Frauenverbände ist der neue „Code de Famille“ ebenso wie der alte ein „Code d'infamie“. Denn auch beim Thema Polygamie blieben die Reformen aus. Ein algerischer Mann hat weiterhin das Recht, sich mit bis zu vier Frauen zu verheiraten, sofern er es sich leisten kann, allen ein gutes Leben zu bieten.

Die einzige Verbesserung besteht im Scheidungsrecht. Konnte der Mann bisher seine Frau einfach verstoßen und die Kinder behalten, muss er künftig im Falle einer Scheidung für Unterkunft und Unterhalt sorgen. Die Kinder bleiben bei der Mutter.

Außerdem wurde das Heiratsalter angeglichen. Künftig müssen Braut und Bräutigam mindestens 19 Jahre alt sein. In der alten Version des Gesetzes waren es 18 bei ihr und 21 Jahre bei ihm. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Familienrichter immer wieder Ausnahmegenehmigungen erteilen. Sie sind der Ansicht, dass ein Mädchen dann ehereif ist, wenn die Regel eingesetzt hat.

Als „einen Kompromiss der Regierung mit den Islamo-Konservativen auf unserem Rücken“ bewertet Nadia Ait Zai, Anwältin und Veteranin der Frauenbewegung, das neue Gesetz. Algerien bleibt das rückständigste Land Nordafrikas in Sachen Frauenrechte. Tunesien hat seit der Unabhängigkeit ein sehr liberales Familiengesetz; Marokko reformierte sein Familienrecht erst vor einem Jahr. Dort wurden all die Forderungen erfüllt, für die Frauen in Algerien seit Jahrzehnten vergebens kämpfen.

Die Islamisten freilich zeigen sich zufrieden. Das neue Gesetz gehe „mit der islamischen Tradition konform“, erklärt der Abgeordnete der Partei Islah, Lakhdar Benkhalef. Und Aboujorra Soltani, Vorsitzender der MSP, der anderen legalen religiösen Kraft, antwortet auf die Frauenproteste: „Das ist schließlich ein Familien- und kein Frauengesetz.“