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Archiv-Artikel

Eine unklare Zukunft für die Hisbollah

Die USA haben die libanesische Schiitenpartei als terroristische Organisation eingestuft. Sie fordern ihre Entwaffnung. Doch im Lande selbst ist sie eine wichtige politische und soziale Kraft. Daran kommt selbst Washington nicht vorbei

VON KARIM EL-GAWHARY

Es klang fast wie ein Angebot: „Wir sehen die Hisbollah als eine terroristische Gruppe an, aber wir hoffen, die Hisbollah beweist das Gegenteil, indem sie die Waffen niederlegt und den Frieden nicht gefährdet“, erklärte US-Präsident George Bush vergangene Woche. Die Antwort von Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah kam prompt: „Sie wollen uns entwaffnen, damit der Libanon gegenüber Israel ohne Verteidigung dasteht“, erklärte Scheich im parteieigenen Fernsehsender Manar und verweigerte, die Idee einer Abgabe der Waffen auch nur zu diskutieren.

Da die erste Phase des Rückzugs der syrischen Armee und des syrischen Geheimdienstes aus dem Libanon abgeschlossen ist, wendet sich die Aufmerksamkeit der US-Regierung nun dem zweiten Teil der UN-Resolution 1559 zu. In ihr wird neben dem Rückzug der Syrer auch in einem bisher weniger beachteten Paragrafen „die Auflösung und Entwaffnung aller libanesischen Milizen“ gefordert. Zwar wird sie nicht beim Namen genannt, aber jeder weiß, dass damit die militante schiitische Organisation Hisbollah gemeint ist. Während die Hisbollah in der arabischen Welt als eine Widerstandsorganisation, die ein Ende der israelischen Besatzung des Südlibanon erzwungen hat, hohes Ansehen genießt, steht die Organisation gleichzeitig auf der Terroristenliste des US-Außenministeriums.

Doch die Hisbollah hat sich nicht nur durch ihr militantes Auftreten gegenüber Israel einen Ruf in der Region geschaffen, sondern sie ist inzwischen auch eine ernst zu nehmende Kraft innerhalb der politischen Landschaft des Libanon. Die Bewegung gilt als die wichtigste Vertretung der Schiiten des Libanon, die ein Drittel der Bevölkerung stellen, und sitzt mit zwölf Abgeordneten im libanesischen Parlament. Daneben unterhält sie zahlreiche soziale Einrichtungen und Krankenhäuser und zählt im Süden des Libanon zum wichtigsten sozialen Dienstleistungsbetrieb.

Vor zwei Wochen hatte die Hisbollah eine halbe Million Menschen zu einer Demonstration in Beirut mobilisiert und damit ihre Stärke unter Beweis gestellt. Beobachter sahen die Äußerungen des US-Präsidenten denn auch als eine amerikanische Anerkennung dieser politischen Macht innerhalb des Libanon, dem mit dem Prädikat „terroristische Organisation“ allein nicht beizukommen ist.

US-Außenministerin Condoleezza Rice bestätigte zwar erneut, dass die Hisbollah als terroristische Organisation angesehen wird, aber sie fügte hinzu: „Eines nach dem anderen. Wenn die syrischen Truppen abgezogen sind, dann werden wir besser wissen, wie wir weitermachen. Und was noch wichtiger ist, die Libanesen werden selbst wissen, wie sie die politische Zukunft ihres Landes planen.“

Zwar weist der Hisbollah-Abgeordnete Muhammad Fneisch darauf hin, dass man sich möglicherweise nach einem Abzug der Syrer innerhalb des Libanon noch stärker politisch engagieren müsse, aber sein Chef Nasrallah lässt keine Zweifel daran, dass die militärische Rolle der Organisation nicht beendet ist. „Solange der Libanon bedroht ist, solange werden wir ihn verteidigen und wenn dieser Zustand eine Million Jahre dauert“, ließ er verlauten.

Mit dem Abzug Syriens aus dem Libanon, das neben dem Iran als einer der logistischen und politischen Sponsoren der Hisbollah gilt, und angesichts des israelisch-palästinensischen Waffenstillstands gerät die Hisbollah nun in eine doppelte Krise. Ihre militärischen Operationen beschränken sich auf die „blaue Linie“, wie die UNO die 70 Kilometer lange Grenze zwischen Libanon, Israel und den von Israel annektierten syrischen Golanhöhen nennt. Dabei bewegt sich die Rechtfertigung der Hisbollah für die Fortführung des bewaffneten Kampfes auf recht dünnem Eis: Es geht um die „Befreiung“ eines 15 Quadratkilometer kleinen Gebietes, die so genannten Shebaa-Farmen, laut Hisbollah das letzte Stück israelisch besetztes libanesisches Territorium. Israel und die UNO gehen jedoch davon aus, dass es sich um syrisches Gebiet handelt, das damit Teil von Verhandlungen über die Golanhöhen ist.

Hisbollah ist sich dieser Problematik bewusst. Bei ihrer Begründung dafür, keine innerlibanesische Miliz, sondern eine bewaffnete Widerstandsgruppe zu sein, spricht Hisbollah in letzter Zeit immer weniger von der Befreiung der letzten besetzten libanesischen Gebiete. Statt dessen wird die Notwendigkeit betont, „zur Verteidigung bei einer israelischen Aggression bereit zu sein“.

Entscheidend wird nun sein, ob im Libanon selbst das Argument, die Waffen der Hisbollah dienten der Verteidigung gegen Israel, weiterhin akzeptiert wird. Sollte das der Fall sein, wird es der US-Regierung schwer fallen, eine Entwaffnung der Organisation durchzusetzen. Bei einer Rede an die Adresse der libanesischen Opposition baute Hisbollah-Generalsekretär Nasrallah jedenfalls schon einmal vor: „Überlegt euch, warum ihr diese ganze Unterstützung aus dem Ausland bekommt. Der Preis ist die Entwaffnung der Hisbollah und eine Schwächung gegenüber Israel“.