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Archiv-Artikel

Fischer in Kiew – die neue Kampflust

Außenminister nimmt die Abgesänge auf Rot-Grün locker. Den Ukrainern will er den Weg nach Westen öffnen

BERLIN taz ■ Joschka Fischer kann wieder sprechen. Vier Tage nach seinem schweigsamen Auftritt neben Kanzler Gerhard Schröder, der die Ergebnisse des Jobgipfels mit den Unionsvorsitzenden allein verkündete, meldete sich der Außenminister gestern laut zu Wort. Ausgerechnet bei seinem Besuch in Kiew, dem wichtigsten Schauplatz der Visa-Missbrauchs-Affäre, erklärte Fischer, er sei „sehr kampfesfroh und kampfesmutig“.

Die aktuellen Abgesänge auf Rot-Grün in Berlin nehme er locker. „Ich habe schon viele Abgesänge erlebt“, sagte Fischer. „Da machen Sie sich mal keine Sorgen.“ Nach der Osterpause mache er „mit frischer Kraft“ weiter.

Ganz so frisch hatte er am vergangenen Donnerstag nicht gewirkt. Welchen Anteil die Grünen an dem Jobgipfel hatten, blieb der Öffentlichkeit zunächst verborgen, weil Fischer die anschließende Presseerklärung dem Kanzler überließ. Regierungssprecher Thomas Steg und Grünen-Chef Reinhard Bütikofer versuchten gestern, die ungewohnte Zurückhaltung des grünen Alphatiers zu erklären. Schröder und Fischer hätten sich darauf verständigt, dass der Vizekanzler „allenfalls bei Bedarf etwas ergänzen“ würde, sagte Steg. Fischer habe sich „offenbar nicht aufdrängen“ wollen, erklärte Bütikofer auf die Frage, ob Fischers Schweigen für die Grünen hilfreich war in einer Zeit, in der ohnehin dauernd über eine große Koalition geredet werde. Hätte es Fragen an ihn gegeben, merkte Bütikofer an, hätte Fischer sicher geantwortet. „Das Angebot war vorhanden.“ Doppelt bitter für Fischer, dass es nicht angenommen wurde.

Umso „kampfesmutiger“ zeigte er sich gestern dann in Kiew. Für die Ukraine müsse der Weg nach Westen offen sein, „auch für die einfachen Bürger“, sagte Fischer. Damit reagierte er erstmals öffentlich auf den ukrainischen Wunsch, die Visaregeln zu lockern. „Man soll das eine von dem anderen trennen“, sagte Fischer zu den Vorwürfen wegen seiner Visapolitik in der Vergangenheit. LUKAS WALLRAFF