: Der Häftling, der gern Praktikant wäre
Ex-RAF-Terrorist Christian Klar möchte nach 25 Jahren Haft beim Berliner Ensemble anheuern, doch da ist die Justiz vor
Das Berliner Ensemble wartet auf einen ganz besonderen Praktikanten: Christian Klar, Ex-RAF-Terrorist und wegen neunfachen Mordes verurteilt, wollte an dem Theater ein Praktikum bei den Bühnentechnikern machen. Jetzt hat das Stuttgarter Justizministerium Klars Pläne durchkreuzt.
Mit Brigitte Mohnhaupt und Adelheid Schulz galt Christian Klar als einer der führenden Köpfe der RAF. 1982 wurde er nach sechs Jahren Flucht in einem Wald bei Hamburg festgenommen. 1985, 33-jährig, wurde er zu einer Freiheitsstrafe von fünfmal „lebenslänglich“ plus 15 Jahren verurteilt – unter anderem wegen Mordes an Generalbundesanwalt Siegfried Buback, Bankier Jürgen Ponto und Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer im Herbst 1977. Wegen der besonderen Schwere der Schuld legte das Oberlandesgericht Stuttgart 1998 eine Mindeststrafe von 26 Jahren fest. Diese Frist läuft 2008 aus. Im Zuge von Resozialisierungsmaßnahmen könnte Klar 18 Monate früher ein Praktikum antreten.
Nach seiner Verurteilung zählte Klar, der einst in Heidelberg Philosophie und Politikwissenschaften studiert hatte und sogar FDP-Mitglied gewesen war, zu den Hardlinern unter den RAF-Gefangenen. Diese Gruppe widersetzte sich nach 1989 einer Auflösung der RAF.
Ob er Reue oder Schuldgefühle für seine Taten empfinde, wurde Christian Klar 2001 in einem Fernsehinterview gefragt: „In dem politischen Raum, vor dem Hintergrund von unserem Kampf sind das keine Begriffe“, antwortete Klar damals. Öffentlich bereut hat er seine Morde nie. Der BE-Intendant Claus Peymann hat dem Ex-RAF-Mann jetzt das Bühnentechnik-Praktikum an seinem Theater als Resozialisierungsmaßnahme angeboten. Man sei hier schließlich nicht in Guantánamo, sagte Peymann der Bild: „Als Intendant eines linken Theaters bringe ich ein bestimmtes Gefühl für die Tragik dieser Generation mit“, sagte der Regisseur. Der Betriebsrat des Theaters sei zwar zunächst skeptisch gewesen, nach einem Gespräch mit Klar habe er dann aber zugestimmt.
Auch Berlins Kultursenator Thomas Flierl (PDS) verteidigte die Pläne. „Menschen- und Bürgerrechte gelten“ für alle, sagte Flierl der B.Z. Und am Berliner Grips-Theater will man die Problematik erst recht nicht verstehen. Dort arbeitet seit 18 Jahren das frühere RAF-Mitglied Manfred Grashof – ohne dass es jemals Probleme gegeben hätte.
Trotzdem stehen Klars Chancen schlecht. Die von Peymann lancierte Resozialisierungskampagne droht zu scheitern. Klar hatte dafür einen Antrag auf Verlegung nach Berlin gestellt. Als Freigänger hätte er dann sein Theater-Praktikum absolvieren können. Das Justizministerium in Stuttgart ließ inzwischen jedoch wissen, dass Christian Klar weder Freigang bekommt noch nach Berlin verlegt wird, sondern in Bruchsal hinter Gittern bleibt – bis zum frühestmöglichen Ende seiner Haftzeit 2008. Peymann muss sich also erst mal einen anderen Praktikanten suchen. PHILIPP DUDEK