: Geringere Steuern sorgen kaum für Wachstum
Eine niedrigere Körperschaftsteuer durch Rot-Grün könnte wirkungslos bleiben, sagen Wirtschaftsforscher. Wenigen neuen Jobs stehen hohe Einnahmeausfälle entgegen. Union fordert dennoch einen Gesetzentwurf zur Steuerreduktion
BERLIN taz ■ Die von der Bundesregierung geplante Steuersenkung für Unternehmen könnte verpuffen, ohne mehr Wachstum zu bringen. Diese Ansicht vertritt der Ökonom Giacomo Corneo von der Freien Universität Berlin. Empirische Untersuchungen „haben bestätigt, dass der Einfluss der Besteuerung auf das Wirtschaftswachstum relativ gering ist“, schreibt Corneo in einem neuen Aufsatz.
Eine Senkung der Unternehmensteuern sei „annähernd wachstumsneutral“ und führe „zu langfristigen Mindereinnahmen für den öffentlichen Sektor“. In seiner Regierungserklärung vom vergangenen Donnerstag hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vorgeschlagen, die Körperschaftsteuer auf den Gewinn von Kapitalgesellschaften (AG, KG, GmbH) von derzeit 25 Prozent auf 19 Prozent zu reduzieren. Die Union stimmt dem zu. Allgemeine Hoffnung: Wenn die Unternehmensteuern hier ähnlich niedrig sind wie in Österreich und anderen Nachbarstaaten, werden Firmen mehr in Deutschland investieren und damit auch mehr Stellen schaffen.
Diese Annahmen bezweifeln manche Wirtschaftswissenschaftler. In seiner Untersuchung stützt sich der Berliner Ökonom Corneo auf mehrere Studien unter anderem aus den USA. Eine zentrale These Corneos: „Die pauschale Aussage, dass eine Senkung der Unternehmensbesteuerung die Investitionen ankurbelt, besitzt in der Finanzwissenschaft keinerlei theoretische Grundlage.“
Dahinter steht ein einfacher Gedanke: Entrichten Unternehmen weniger Steuern, haben sie zwar einerseits mehr Geld zur Verfügung, um zu investieren. Andererseits zahlt sich das für sie künftig aber weniger aus, weil sich die Finanzierungskosten mit niedrigen Steuern nicht so gut verrechnen lassen wie mit hohen. Die beiden Effekte neutralisieren sich. Erhebt ein Staat höhere Steuersätze, so argumentiert Corneo, übernehme er auch einen Teil des Risikos der Unternehmen. Denn diese können ihre Verluste mit den Steuern verrechnen, also auf den Staat übertragen. Bei niedrigen Steuersätzen verringert sich dieser Effekt. Der Anreiz für Firmen, ein Risiko einzugehen und Stellen zu schaffen, ist kleiner.
Zwei weitere Befunde hängen mit der skeptischen Einschätzung zusammen. Zum einen würde der Arbeitsplatz-Effekt einer neuerlichen Steuersenkung kaum ins Gewicht fallen. Andererseits müssten die öffentlichen Kassen auf Einnahmen in Milliardenhöhe verzichten. Denn eine Steuersenkung für Unternehmen finanziere sich nicht dadurch selbst, dass die Einnahmen im Zuge zunehmenden Wachstums über die alte Höhe hinaussteigen.
Über die Mindereinnahmen herrscht nun auch Streit zwischen Regierung und Opposition. Die Union forderte Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) gestern auf, zunächst einen Entwurf für ein Steuergesetz vorzulegen. Erst danach wolle man gemeinsam beraten, sagte CDU-Finanzexperte Michael Meister. SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sah darin eine Aufkündigung der Vereinbarung von vergangener Woche. HANNES KOCH