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Archiv-Artikel

Zasterfahndung nicht ins Blaue

Erlass von Eichel macht es möglich, dass das Gesetz zur Kontenabfrage in Kraft tritt, bevor Karlsruhe über vier anhängige Verfassungsbeschwerden entschieden hat

FREIBURG taz ■ Gerade noch rechtzeitig hat Hans Eichel die Kurve gekriegt. Mit seinem Anwendungserlass vom 10. März hat er das neue Instrument der Kontenabfrage entschärft, das am 1. April starten soll. Wohl nur deshalb hat das Bundesverfassungsgericht gestern auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung verzichtet. Diese hätte das Projekt bis zur Entscheidung über vier anhängige Verfassungsbeschwerden gestoppt.

Finanz- und Sozialbehörden können nach dem Eichel-Erlass nicht „ins Blaue hinein“ und im Stile einer Rasterfahndung Kontoinformationen abfragen. Vielmehr muss die Abfrage einen konkreten Anlass haben. Wenn es genügt, den Betroffenen nach Zahl und Ort seiner Konten zu fragen, dann ist eine Anfrage beim Bundesamt für Finanzen unzulässig. Wenn dennoch abgefragt wird, muss der Konteninhaber vorher oder nachträglich informiert werden, sodass er sich notfalls vor Gericht wehren kann.

Bei Berufsgeheimnisträgern, zum Beispiel Rechtsanwälten, muss besonders sorgfältig abgewogen werden. Wenn ein Anwalt Treuhandkonten verwaltet, dann geht dies das Finanzamt nichts an. Die Finanzämter müssen auch genau prüfen, ob ein Sozial- oder Bafög-Amt, das Informationen haben möchte, darauf einen Anspruch hat.

Schon bisher konnten die Finanzämter bei Banken Einsicht in Kontostand und -bewegungen nehmen. Sie mussten allerdings die Konten kennen. Wenn der Steuerpflichtige seine Bankkonten und Aktiendepots ganz oder teilweise verschwieg, waren die Behörden machtlos. Jetzt können sie relativ einfach herausfinden, wo sie bei einem Verdacht weiter nachfragen können.

Schon seit April 2003 müssen die Banken ihre Konteninformationen einheitlich aufbereiten und online bereithalten, damit die Polizei zur Strafverfolgung darauf zugreifen kann. Dieses Verfahren wurde jetzt auch für Steuerermittlungen und andere Behördenrecherchen zugänglich gemacht. Da sich die Behörden allerdings nicht über die technischen Voraussetzungen einigen konnten, haben die Finanzämter zunächst keinen Onlinezugriff, sondern müssen noch altmodische Formulare verwenden. (Az. 1 BvR 2357/04)CHRISTIAN RATH