Wenn Rektoren zu sehr mobben

Mit einer neuen Richtlinie wollen Kölner Bezirksregierung und Schulpersonalräte Mobbing unter Lehrern bekämpfen. Doch das Problem sind oft nicht die Lehrer, sondern die Schulleiter, sagt die GEW

VON BENJAMIN TRIEBE

Zwar fährt er jeden Morgen zur Schule, aber unterrichten muss Christian Krog* derzeit nicht. Meistens sitzt er in der Schulbibliothek und etikettiert Bücher. Vor einer Klasse hat der Studienrat hingegen schon seit Wochen nicht mehr gestanden. Aus persönlichen Gründen, die außer ihm nur noch der Rektor kennt. Krogs Stunden mussten die übrigen Lehrer übernehmen. Das sorgt für böses Blut im Kollegium. Eines Morgens findet Krog eine angefaulte Bananenschale in seinem Fach.

Mobbing unter Lehrern ist ein Phänomen, zu dem es keine Statistiken gibt. Niemand hat je versucht, die Fälle in der Bundesrepublik, in Nordrhein-Westfalen oder auch nur in Köln zu zählen. Die Aussicht auf verlässliche Angaben wäre allerdings wohl auch gering: Wer spricht schon gern darüber, wenn ihn seine Kollegen fertig machen?

Für die Bezirksregierung Köln und die lokalen Schulpersonalräte ist Mobbing jedoch mittlerweile ein wichtiges Thema. Gemeinsam haben sie deswegen erstmalig eine so genannte Rahmenrichtlinie erarbeitet – eine Empfehlung für Lehrer und Schulleiter, wie sie sich bei Mobbingfällen verhalten sollen. Mitte Februar wurde das Papier unterzeichnet. Jetzt sollen alle Lehrer über den Inhalt informiert werden.

Doch die siebenseitige Richtlinie stößt auf Kritik: Am eigentlichen Problem gehe sie vorbei, kritisiert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). „Solche Fälle wie den oben beschriebenen mag es geben – aber sie sind selten“, sagt GEW-Vertrauensmann Bernd Müller*. „Ein sehr gravierendes Problem ist dagegen das Mobbing, das von der Schulleitung ausgeht.“

Müller ist Studienrat an einer Berufsschule und arbeitet in der „kollegialen Praxisberatung“: Zu ihm kommen Lehrer, die an ihrer Schule keine Ansprechpartner für ihre Sorgen finden. Das ist auch der Grund dafür, dass er seinen wahren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Müller möchte nicht missverstanden werden: Rektoren seien nicht per se böse Menschen, betont er. Aber nach seiner Erfahrung stünden sie unter extremem Druck, weil sie mit immer weniger Lehrern immer mehr Unterrichtsstunden organisieren müssen. Und den Druck gäben sie häufig weiter: Da es für die Stundenverteilung keine festen Regeln gebe, ergreife ein Rektor bisweilen beinahe jedes Mittel, um möglichst viele Stunden aus seinen Untergebenen „herauszukitzeln“. Schon mehrmals musste der Berater Kollegen helfen, die schlichtweg klagten: „Ich schaffe das nicht mehr.“ Manche Schulleiter würden sogar „schwarze Listen“ führen: Wer ist nicht flexibel genug?

Junge Lehrer würden gerne besonders hart rangenommen und durch viele Klassen und Fächer gescheut, weiß Müller. „Offiziell sollen sie erstmal alles kennen lernen“, berichtet er, „aber tatsächlich will man sie abhärten, damit sie später flexibler eingesetzt werden können“. Und einem Lehrer, der zu laut murre, werde schnell die Versetzung nahe gelegt. Doch dieser Form des Mobbing, das auch „Bossing“ genannt wird, sind indes in der neuen Richtlinie nur ganze drei Zeilen gewidmet. Wer ein Problem mit seinem Schulleiter habe, solle sich an den Bildungsdezernenten wenden, heißt es dort lapidar.

Die Bezirksregierung sieht darin jedoch kein bedeutendes Problem. „Fälle von Bossing sind kein großes Thema“, lautet die schlichte Antwort auf eine Anfrage der taz. Für Gewerkschaftsseelsorger Müller hingegen steht fest: Eine neue Richtlinie macht nur Sinn, wenn mit ihr ein Gegengewicht zu den Schulleitungen aufgebaut werden kann. Wenn es eine Instanz gibt, die den Rektor kontrolliert – auch und besonders in Zeiten von immer selbstständigeren Schulen.

Doch die Vereinbarung von Bezirksregierung und Schulpersonalräten will die Schulleitungen bewusst stärken. Anhand eines dreiseitigen Katalogs soll der Rektor in Zukunft überprüfen, was Mobbing ist und was nicht. Unwahrscheinlich, dass er sich selber anzeigt.

* Name redaktionell geändert