: Heimtückischer Mord von Rechts
In Dortmund werden Punks erneut von bewaffneten Neonazis bedroht. Nachdem am Ostermontag ein Skinhead einen 31-jährigen Mann tötete, verhinderte die Polizei eine weitere Gewalttat
VON ANNIKA JOERES
Blumen und Zettel erinnern in Dortmund noch an Thomas S.. Die U-Bahn-Station Kampstraße ist zu einem Gedenkort für den 31-jährigen Punk geworden, der am Ostermontag von einem 17-jährigen Skinhead ermordet wurde. Der Minderjährige sitzt in Untersuchungshaft und hat sich bisher nicht geäußert. Thomas S. hinterlässt seine Frau Maria und drei Kinder. „Er hat sich nicht gewehrt, er ist sehr zurückhaltend“, sagt Maria. Sie wünscht sich Rache für den Mord an ihrem Mann, mit dem sie seit acht Jahren zusammen war. Er kam gerade aus dem Gefängnis, sie beide hätten viel durchgemacht und wollten nun den Neuanfang. „Jetzt ist alles anders gekommen“, sagt sie.
Nun sind weitere Gewalttaten der Rechten zu befürchten: Ein polizeibekannter 23-jähriger Neonazi soll am Mittwoch eine Punkerin mit den Worten „Dich stech ich auch ab“ bedroht haben. In der Nacht zu Donnerstag konnte die Dortmunder Polizei nur knapp eine erneute Bluttat verhindern. Die Beamten gingen dazwischen, als Punks einen mit einem Messer bewaffneten Dortmunder Skinhead umringt hatten und heftig mit ihm stritten. Er kam in Polizeigewahrsam, wurde gestern Nachmittag wieder auf freien Fuß gesetzt.
Für das Dortmunder Bündnis gegen Rechts ist der Tod ihres Freundes „ein politischer Mord“. In ihrem Aufruf heißt es, die Nazi-Szene sei in der letzten Zeit immer aktiver geworden. „Sie schänden jüdische Friedhöfe, marschieren durch die Innenstadt und drohen unverhohlen mit Gewalt gegenüber Antifaschisten.“ Die Polizei und die Stadt versuche, diese Entwicklung totzuschweigen.
Die Polizei verneint einen Aufschwung der rechten Szene. „In letzter Zeit gab es keine Probleme“, sagt Sprecher Wolfgang Wieland. 2004 habe es weder von Rechts noch von Links Gewaltdelikte gegeben. Die Schändung eines Friedhofs im Osten der Stadt sei zwar tatsächlich passiert. „Aber ich sehe keinen Zusammenhang zur Tat“, so Wieland.
Für die Staatsanwaltschaft Dortmund war der minderjährige Täter kein Unbekannter. „Er hatte Kontakte zu Jugendgerichten“, sagt Sprecherin Ina Holznagel. Mehr könne sie zu ihm nicht sagen, weil sein Verfahren unter das Jugendschutzgesetz falle und somit unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinde. Sicher sei aber, dass der Jugendliche „aufgrund seiner nicht vorhandenen Haartracht und seiner Kleidung“ zur rechten Szene gehöre. Holznagel beobachtet viele Zusammenstöße zwischen Rechten und Linken in Dortmund, „weil, zum Glück, die Antifa sehr agil ist.“ Ein solch grausamer Vorfall stelle aber eine neue Dimension dar. Von politischem Mord will die Staatsanwältin jedoch nicht reden, den gebe es juristisch nicht. „Rechtlich ist das ein heimtückischer Mord.“
Am morgigen Samstag rufen nun Thomas‘ Freunde und das Dortmunder Bündnis gegen Rechts zu einer Demonstration durch die Innenstadt auf, starten soll sie um 12 Uhr am Tatort, der U-Bahnhaltestelle Kampstraße. „Thomas hätte sich das gewünscht“, sagt Maria.