: Der Sensenmann holt Uerdingen
Im Jahr des 100. Vereinsjubiläums steht der KFC Uerdingen vor der Pleite. Bereits zum zweiten Mal musste der Ex-Bundesligaclub Insolvenzantrag stellen – diesmal könnte es ernst werden für Krefeld
AUS KREFELDROLAND LEROI
In ein paar Wochen wollten sie in Krefeld eigentlich das Jubiläum ihres größten Vereinserfolgs feiern, den DFB-Pokalsieg gegen Bayern München im Mai 1985. Doch die Feier fällt wohl aus. Vorgestern stellte der Fußballverein KFC Uerdingen (früher Bayer 05 Uerdingen) Antrag auf Einleitung eines Insolvenzverfahrens. Es ist davon auszugehen, dass der Ex-Bundesligaclub und heutige Drittligist nicht ohne größere Schäden aus seiner bisher dicksten Krise kommt.
Rund 1,6 Millionen Euro Schulden belasten den Verein, aktuell können aus der leeren Kasse nicht die März-Gehälter in Höhe von gut 75.000 Euro bezahlt werden. Durch den Gang vor das Insolvenzgericht sind zumindest die Löhne für die nächsten drei Monate, die nun vom Arbeitsamt übernommen werden, gesichert. Der Vereins-Vorsitzende Henning Harke kennt sich mit derlei Vorgängen aus. Erst im Dezember 2002 stellte der KFC einen Insolvenzantrag, konnte sich aber halbwegs erholen.
Seit Jahren führen die Uerdinger Fußballer eine Existenz auf der Rasierklinge. Bis 1995 als Abteilung des Chemie-Werks Bayer geduldet und gesponsert, erfolgte vor zehn Jahren die Abnabelung. Wirklich verkraftet hat der Klub, der fortan KFC hieß, diesen Schritt nie. 1996 stieg man abgeschlagen aus der Bundesliga ab, 1999 ging es in die Drittklassigkeit. Gefüllt waren die Kassen in all den Jahren nie.
Wirklich interessiert hatte das in Krefeld aber kaum jemanden. Im verzweifelten Bemühen Düsseldorf als gelackte Modestadt am Niederrhein zu überholen, hatten grölende Fußballer meist nur den Stellenwert einer Warze, die allerdings hartnäckig alle Attacken zum Wegätzen überstand. Irgendwie hatten es die Uerdinger dank erfolgreicher Spendenaufrufe oder urplötzlich auftretender Mini-Sponsoren immer wieder geschafft, meist auf den letzten Drücker Konkurse abzuwenden und Lizenzen für den Spielbetrieb zu erhalten.
Vom großen Aufschwung träumten sie aber vergeblich. Vor zwei Jahren wurden die Fußballer vom komfortablen Trainingsgelände, das noch dem Chemie-Werk gehört, verjagt, vor sechs Wochen versagte auch die Stadt ihre Unterstützung. Oberbürgermeister Gregor Kathstede (CDU), dem unterstellt wird, nur eine Marionette seines Fraktionschefs Wilfried Fabel zu sein, stellte zwar noch in Aussicht, dem KFC helfen zu wollen, zog in der entscheidenden Ratsitzung aber zurück. Fabel, der frühere starke Mann des Eishockey-Klubs Krefeld Pinguine, hatte aus seiner Abneigung zum Fußball nie einen Hehl gemacht und stattdessen immer dafür gesorgt, dass es dem Eishockey in Krefeld gut geht. Fabels einfache Rechnung: Nachdem rund 2.000 Fußball-Fans nur eine Minderheit gegenüber 3.000 Eishockey-Anhängern seien und unmittelbar nach der jüngsten Kommunalwahl wenig Gewicht hätten, überzeugte. Während Eishockey seit Dezember in einer neuen schicken Halle gespielt wird, gab es für den KFC keinen Cent. Mal abgesehen davon, dass man den Fußballern ein mit Zinnrückständen verseuchtes Grundstück zur Schuldentilgung andrehen wollte. Der Versuch flog aber rechtzeitig auf.
Ohne entsprechende Lobby hatte der KFC nie eine wirkliche Chance, die aktuelle Situation abzuwenden. Die als Absteiger deklarierte Mannschaft von Trainer Wolfgang Maes überraschte im Herbst zwar mit sportlichen Erfolgen, doch nach einer Negativserie (seit sechs Spielen ohne Sieg) zerbrachen auch die milde geäußerten Aufstiegs-Hoffnungen. Als der Unternehmer Christian Flach am 11. März nach nur 72 Stunden als neuer Vorsitzender wieder zurücktrat, weil ihm die Sache doch zu heiß wurde und Harke das Amt wieder kommissarisch übernahm, war der kurze Brief zum langen Abschied längst geschrieben. Durch eine größere Fan-Initiative kamen zwar 17.000 Zuschauer zum Match gegen Fortuna Düsseldorf, gesichert wurden damit aber nur die Februar-Gehälter.
„Der Vorstand hat die begründete Hoffnung, dass im Zuge des Verfahrens eine Insolvenz abgewendet werden kann und somit die Weichen für eine gesicherte Zukunft des Klubs gestellt werden können“, sagt Vorstandsmitglied Sven Strater, doch wirklich abnehmen mag ihm das keiner. Sollte es dieses Jahr noch ein Mal klappen, könnte der Verein zwar im November seinen 100. Geburtstag feiern, doch nächste Saison würden die Probleme nicht kleiner. Der Fußball-Sensenmann würde wohl zum 101. Jubiläum erneut erscheinen.