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Archiv-Artikel

Doch kein Australien

Interview: Eva Weikert

taz: Nur jeder zweite Arbeitgeber kennt die neuen Abschlüsse Bachelor und Master, auf welche die Hochschulen jetzt verstärkt umstellen müssen und deren Fan Sie sind. Das hat das Hochschulinformationssystem für 2003 herausgefunden. Was nützt ein Abschluss, der niemandem etwas sagt?

Jörg Dräger: Die Entwicklung hat in den vergangenen zwei Jahren noch mal rasant an Dynamik gewonnen. Inzwischen kennt die überwiegende Zahl der Unternehmen den neuen Abschluss. Gerade international agierende Firmen stellen Bachelor- und Masterabsolventen ein.

Woher wissen Sie das? Hamburgs Handelskammerchef warnte noch im Herbst, die Wirtschaft kann nichts anfangen mit einem, der nur sechs Semester studiert hat.

An der Aussage von Hans-Jörg Schmidt-Trenz zeigt sich gerade die Problematik. Auf der einen Seite vergibt die Handelskammer an ihrer eigenen Hochschule Bachelor- und Masterabschlüsse. Auf der anderen Seite gibt sie wieder, dass es noch eine gewisse Verunsicherung gibt. Wir befinden uns einfach in einer Übergangsphase. Wenn die Hochschulen selbst von der Qualität der neuen Abschlüsse überzeugt sind und immer mehr Studierende in die neuen Studiengänge gehen, werden sich auch die Arbeitgeber darauf einstellen.

Die Fachhochschulen haben mit dem nur sechs Semester kurzen Bachelor aber ein Problem. Sie fürchten, dass ihre Ausbildung an Niveau verliert.

Die Fachhochschulen stecken hier in einer Klemme. Denn einerseits wollen sie auf die wichtige Praxisphase nicht verzichten. Andererseits wäre es wahrscheinlich weniger vermittelbar, wenn jemand an einer Fachhochschule länger studieren müsste als an der Universität. Die Hochschulen werden das von Fach zu Fach entscheiden müssen. Ich halte beide Wege, den sechs- und den siebensemestrigen Bachelor, für gangbar. Ich wünsche mir aber, dass innerhalb der Fakultäten die Bachelors der einzelnen Disziplinen nicht unterschiedlich lang sind. Da die Gesamtsemesterzahl von zehn nicht überschritten werden darf, könnte es sonst Probleme geben für diejenigen, die einen Master dranhängen wollen. Und sind die Strukturen nicht kompatibel, geht viel Potenzial für Interdisziplinarität verloren.

Bald kommt das Bezahlstudium. Uni-Chef Jürgen Lüthje findet das gut, kritisiert Sie aber dafür, dass Sie die Abgabe nur erlauben und nicht verbindlich vorschreiben. Damit schöben Sie den Hochschulen den schwarzen Peter zu.

Die Hochschulrektorenkonferenz, der auch Herr Lüthje angehört, hat den Beschluss gefasst, die Politik möge die Hochschulen lediglich ermächtigen, die Gebühren zu erheben und alles Weitere in die Satzungskompetenz der Hochschulen legen. Das ist auch unsere Position. Wenn wir das gesetzlich zu regeln versuchten, müssten wir die gleiche Regelung für die Betriebswirte an der Universität und die freien Künstler an der Kunsthochschule treffen. Dafür aber ist die Hochschullandschaft zu differenziert.

Sie nennen in der Gebührendebatte Australien als Vorbild. Dort gibt es Studienkredite, wie sie hier geplant sind. Die Kredite übersteigen aber enorm die Rückzahlsummen. Um das Loch zu stopfen, sind 40 Prozent aller Studienplätze für Selbstzahler reserviert. Wie wollen Sie solches hier verhindern?

In Australien bieten die Hochschulen zusätzliche Studienplätze an, die voll bezahlt werden müssen. Dadurch aber hat man als wohlhabender Australier bessere Studienchancen als ein weniger wohlhabender. Insofern halte ich die australische Entwicklung für falsch. Sie ist im Moment in Deutschland aber nicht möglich, weil es nur einen begrenzten studentischen Beitrag geben soll, von dem kein ganzer Studienplatz finanziert werden kann. Die Hochschulrektorenkonferenz hat deshalb auch vorgeschlagen, ins Gesetz aufzunehmen, dass die private Finanzierung von Studienplätzen maximal zehn bis 20 Prozent betragen dürfe. Das ist im Prinzip in meinem Sinne.

Mit den Studiengebühren stehen die Hochschulen vor einem Paradigmenwechsel. Wie sieht die Hochschullandschaft 2015 in Hamburg aus?

Die Gebühren als alleinigen Anstoß zum Paradigmenwechsel zu sehen, ist zu kurz gedacht. Sie sind ein Baustein. Die leistungsgerechte Professorenbesoldung beispielsweise bedeutet hochschulintern einen viel größeren Paradigmenwechsel. Wir erleben im Moment, dass Altes über Bord geworfen wird, um den Weg in Richtung mehr Kundenorientierung, mehr Qualitätssicherung zu schaffen.

Dann wird durch Studiengebühren doch gar nicht alles besser und die Bibliotheken bleiben an Sonntagen weiter geschlossen?

Der Beitrag macht durchschnittlich nur etwa zwölf Prozent der Gesamtkosten aus. Damit lässt sich jetzt vieles verbessern, aber nicht alles ändern. Ich glaube, wenn man alles ändern will, dann muss man über andere Gebührenhöhen reden, über die wir aber nicht reden und die im Moment nicht adäquat sind. Die Ausstattung wird sich sicher schnell verbessern. In ein bis zwei Jahren wird auch die Betreuung deutlich besser sein. Und in etwa fünf bis zehn Jahren, davon bin ich überzeugt, wird der Studierende als wichtiger Teil einer Hochschule viel stärker wahrgenommen. Denn auf lange Sicht bekommt er mehr Macht durch seine Rolle als zahlender Kunde.