Im Schlund der Zahnklempner

Eine Ex-Krankenschwester kämpft vor dem Münsteraner Landgericht gegen Gutachter-Klüngel. Ihre Allergie auf eine Nickel-Brücke wird seit Jahren abgetan, sie solle sich psychisch behandeln lassen

VON NATALIE WIESMANN

Wenn Ärzte einen Behandlungsfehler nicht eingestehen können, erklären sie ihre Patienten per Gutachten für verrückt. So wie im Fall Karen-Inga Kroogs aus Bremen, die trotz erwiesener Nickel-Allergie von ihrem Zahnarzt eine Nickelbrücke eingesetzt bekam. Das war 1990. Erst prozessierte die Ex-Krankenschwester jahrelang erfolglos gegen ihren Zahnarzt. Nun klagt die Geschädigte gegen den Münsteraner Toxikologen Fritz Kemper, wegen eines falschen Gutachtens und einer vorsätzlichen schweren Körperverletzung: Er hatte sie für das Gutachten noch einmal mit Nickel in Berührung gebracht und ihren Gesundheitszustand damit noch weiter verschlechtert. Der Prozess, der im Mai 2004 vor dem Landgericht Münster begann (taz berichtete), wird heute fortgesetzt.

Grundlage der heutigen Verhandlung ist ein neues Gutachten, das wiederum dem Angeklagten Recht gibt. „Nickel wird mittlerweile zu den essenziellen Spurenelementen gezählt, die in geringer Konzentration für den Menschen lebenswichtig sind“, spielt er die Allergie der Betroffenen herunter. Eine systemische Nickelvergiftung sei selbst bei korrosionsanfälligen Nickel-Chrom-Brücken nicht möglich. Er empfehle der Klägerin, dass sie sich in psychische Behandlung begebe.

„Die wollen mir erklären, dass Nickel für mich gesund ist“, entrüstet sich Karen-Inga Kroog, die wegen der Folgen des Behandlungsfehlers in Frührente gehen musste. In ihrem Allergie-Pass, den sie ihrem Zahnarzt vorgelegt hatte, steht, dass sie gegen Nickel allergisch ist. Und dass der innerliche und äußerliche Kontakt zu dem Material unbedingt zu vermeiden ist. Das bestätigt auch ein Konsenspapier des Bundesministeriums für Gesundheit und der zahnärztlichen Vereinigungen vom Juli 1997: „Restaurationsmaterialien sind generell nicht zu verwenden, wenn eine nachgewiesene Allergie gegen eines der Restaurationsmaterialien vorliegt“, heißt es da.

Auch vor diesem Hintergrund ist es möglich, dass Gutachter Behandlungsfehler negieren. „Bei den Ärzten und Professoren hackt keine Krähe der anderen ein Auge aus“, so Kroog. Der angeklagte Gutachter Kemper habe über das Falschgutachten hinaus auch eine Haarprobe von ihr, die eindeutig einen erhöhten Nickel-Gehalt bewiesen habe, unterschlagen.

Der Toxikologe und Umweltmediziner Carsten Alsen-Hinrichs unterstützt die Betroffene in ihrem Kampf gegen die Ärtzelobby mit einer schriftlichen Stellungnahme: „Die bei Frau Kroog aufgetretenen Gesundheitsstörungen müssen im Zusammenhang mit der Nickelallergie und dem Nickel enthaltenden Zahnmaterial gesehen werden“, schreibt er. Dem Umweltmediziner sind einige solcher Geschädigter bekannt, doch er kennt keine KlägerInnen, die einen Prozess gewonnen hätte. „Bei der Lobby der Zahnärzte und Professoren in den Parlamenten will sich niemand die Hände schmutzig machen“, so Alsen-Hinrichs. Es sei im Übrigen durchaus üblich, dass man die Betroffenen für psychisch krank erkläre. „Natürlich können jahrelange körperliche Leiden auch psychische nach sich ziehen“, sagt er. Was aber nichts daran ändere, dass bei Karen-Inga Kroog als Allergikerin nie eine Nickel-Brücke hätte eingesetzt werden dürfen.

Kroog ist bereit, bis zur letzten Instanz zu kämpfen: „Mich kriegen die nicht klein“, sagt sie. Als Stütze hat sie zum heutigen Prozess nickel-allergische Leidensgenossinnen aus Nordrhein-Westfalen eingeladen.