piwik no script img

Archiv-Artikel

Landwirte lassen lieber schwarzarbeiten

Eine Kampagne zur Legalisierung von Immigranten in Spanien bringt nicht den gewünschten Erfolg. Denn viele Arbeitgeber scheuen die Anmeldung bei der Sozialversicherung. Betroffene protestieren und treten in den Hungerstreik

MADRID taz ■ Der Prozess zur Legalisierung von Immigranten in Spanien geht nur schleppend voran. Knapp zwei Monate nach Beginn der Kampagne, die den in Spanien ohne Papiere arbeitenden Ausländern zu einer Aufenthaltsgenehmigung verhelfen soll, wurde nur jeder fünfte der auf den Einwohnermeldeämtern eingeschriebenen 1,2 Millionen „sin papeles“, ohne Papiere, von seinem Arbeitgeber bei der Sozialversicherung gemeldet. Die Legalisierungskampagne läuft noch bis 7. Mai.

In vielen Städten kam es bereits zu ersten Protesten unter dem Motto „Bedingungslose Legalisierung“. Um die Papiere zu erhalten, muss der betroffene Schwarzarbeiter mindestens seit 7. August 2004 in einer spanischen Gemeinde gemeldet sein. Mit dem Auszug aus dem Melderegister, einem polizeilichen Führungszeugnis und einem Arbeitsvertrag muss der Arbeitgeber bei einer der 158 Niederlassungen der Sozialversicherung vorsprechen. Sobald die Sozialversicherung den Arbeitsvertrag registriert hat, stellt die Ausländerbehörde eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung aus.

Die meisten der bisher eingegangenen rund 240.000 Anträge stammen aus Madrid und Katalonien. Das geringste Echo hat die Legalisierung in den beiden nordafrikanischen Enklaven Ceuta und Melilla. In Ceuta, wo 3.811 „sin papeles“ registriert sind, wurden nur 4 Anträge eingereicht. In Melilla sind es 7 von 1.933.

Das Arbeitsministerium ging ursprünglich davon aus, dass die Unternehmer bis zu 800.000 ausländische Schwarzarbeiter anmelden könnten. „Wenn es halb so viele sind, können wir von Glück reden“, meint Mohamed Haidour, der für die Gewerkschaften in der staatlichen Kommission zur Überwachung der Legalisierung sitzt. Vor allem in den ländlichen Regionen Spaniens seien nur wenige Arbeitgeber bereit, die Unterlagen ihrer Arbeiter bei der Sozialversicherung einzureichen. Sie behaupten, zurzeit würden nur wenige Immigranten beschäftigt, da die Landwirtschaft unter dem kalten Winter gelitten habe. Die Landwirte suchen sich weiter unangemeldete Arbeitskräfte, die für 30 Euro die harte Arbeit in den Folienzelten verrichten.

In der Bauwirtschaft sieht es nicht viel besser aus. Und das, obwohl das Arbeitsministerium scharfe Kontrollen nach Ende der Kampagne angekündigt hat. Wer dann immer noch „sin papeles“ beschäftigt, muss mit bis zu 60.000 Euro Strafe rechnen.

In den vergangenen Wochen kam es immer wieder zu Protesten von Immigrantenorganisationen. Mehre tausend protestierten in Murcia und Madrid. Ihr Motto lautet „bedingungslose Legalisierung“. In Barcelona haben sich seit Samstag 260 Immigranten in mehren Kirchen eingeschlossen. Sie befinden sich in einem unbefristeten Hungerstreik. „Wir wollen einen Dialog mit der Regierung, um das Ausländergesetz zu lockern“, erklärt ihr Sprecher, der Marokkaner Ibrar Boukhari. Er verlangt unter anderem, dass die Immigranten nicht ausschließlich auf einen Eintrag im Melderegister angewiesen sind, wenn es darum geht zu belegen, wie lange sie schon in Spanien leben.

Die „sin papeles“ stellen 40 Prozent der in Spanien lebenden Ausländer. Die letzte Legalisierung fand im Jahr 2000 statt. Damals erhielten 300.000 Menschen eine Aufenthaltsgenehmigung. Pro Jahr wandern über eine halbe Million Menschen nach Spanien ein. In den letzten drei Jahren hat sich der Ausländeranteil verdoppelt.

REINER WANDLER