Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

Die Erfahrung, dass alles, was uns über die Medien erreicht, gefiltert, möglicherweise manipuliert und gesteuert ist von Interessen, die nicht die unseren sind, lässt uns selbst einst so integren Organen wie den Nachrichtensendungen öffentlich-rechtlicher Fernsehanstalten misstrauen. Und die Tatsache, dass sich die Komplexität mancher Konflikte nicht in der vom Nachrichtenformat geforderten Kürze darstellen lässt. So sind Themen wie der Völkermord in Ruanda, die Verstrickungen internationaler Konzerne in Kriege und andere Katastrophen längst Stoffe für das Dokumentartheater geworden. Im Dienste der Aufklärung und nicht zuletzt auch der Dramatik dieser Stoffe wegen. Einer der virtuosesten unter den Theaterdokumentaristen ist Hans-Werner Kroesinger. Sein neues Stück „Wellenartillerie Telefunken“ befasst sich ab Donnerstag im HAU3 mit den Zusammenhängen von Rüstungsindustrie und der Entwicklung der Unterhaltungselektronik in Nazideutschland. Auch das Tanztheater hat von der bleischweren Schicht aus Entfremdung profitiert, die zunehmend über den Dingen liegt, und den Körper zum Maß aller authentischen Erfahrung erklärt. So ist der zeitgenössische Tanz längst eine Schnittstelle zwischen darstellender und bildender Kunst, Musik und Medien. In den Sophiensälen finden vom 5. bis 15. Januar die 21. Tanztage statt, Berlins berühmte Plattform für den Nachwuchs in Tanz und Choreografie. Veranstaltungen am Rande erörtern die aktuelle Situation der Szene. Im Haus der Berliner Festspiele, einer der letzten Bastionen des Old-School-Theaters in dieser Stadt, ist ab kommenden Montag Andrea Breths gefeierte Wiener Inszenierung nach Texten von Georges Courteline, Pierre Henri Cami und Daniil Charms „Zwischenfälle“ zu sehen. Szenen über die Wirklichkeit, die schon immer ziemlich unwirklich war.

■ „Wellenartillerie Telefunken“: HAU 3. 6.–11. 1.

■ Tanztage. 5.–15. 1. http://tanztage.de

■ „Zwischenfälle“: Haus der Berliner Festspiele. 9.–12. 1.