: „Das Maul nicht zu weit aufreißen“
Mit Nachlader ist Daniel Baumann erfolgreich unterwegs in Sachen deutschsprachiger Elektro-Pop. Früher stand er mehr auf depressive Gitarrenmusik, heute dagegen möchte er, dass das Publikum auch schon mal lächelt
taz: Es heißt, über Misserfolge kommt man zum Erfolg. Welche musikalischen Fehler haben Sie begangen, als Sie anfingen, Musik zu hören?
Daniel Baumann: Ich habe richtig früh angefangen, Platten zu kaufen – im Alter von sechs bis acht Jahren. Meine allererste war Shakin’ Stevens. Das ist hart an der Grenze. Ein richtiger Fehlkauf? Ich habe mir das Debüt von Modern Talking gekauft.
Waren Sie damals Fan?
Ich stand auf kitschige Sachen. Auf dem Cover war ein Turnschuh, der leicht herausragte. Man konnte mit der Hand darüberfahren und die Form fühlen. Das fand ich geil, habe aber schnell herausgefunden, wie schlecht Modern Talking sind. Meine Klassenkameraden wussten leider, dass ich die Platte habe. Ich wurde so lange aufgezogen, bis ich die Platte in die Schule mitbrachte und sagte: Okay, macht sie kaputt! Da sind alle hingegangen und haben sie in kleine Schnipsel zerrissen. Danach war ich rehabilitiert.
Welche Musik kam danach?
Als angehender Gitarrist war ich fasziniert von den Dire Straits – was ich heute recht langweilig finde. Wenn ich eine Band gut fand, habe ich mir gleich alles geholt – U 2, Cure, Beatles. Für das meiste muss ich mich glücklicherweise nicht schämen.
War man als Gitarrist eine coole Sau?
Na ja, ich war nicht per se cool, weil ich als Teenager über 100 Kilo gewogen habe. Über die Musik konnte ich das etwas ausgleichen.
Sie spielten 15 Jahre in Bands, bis Sie mit Nachlader bekannt wurden.
Ich habe lange gedacht, dass ich nicht gut genug bin. Das lag an meinem mangelnden Selbstvertrauen. Ich war sehr vorsichtig und wollte das Maul nicht zu weit aufreißen. Musik war zwar schon immer mein Ausdrucksmittel, aber erst bei Nachlader sah ich ernsthaft eine Perspektive.
Was ist passiert?
Unsere damalige Band Sirup löste sich auf – den Namen finde ich mittlerweile furchtbar. Außerdem waren wir zerstritten, Musiker wurden ausgetauscht– und dann stieg die Sängerin aus. Schluss.
Wie lösten Sie die Krise?
Ich überlegte mir, was ich wirklich will – nicht solche hirnrissigen Ideen, ob wir Geigen einbauen, um mehr Leute zu erreichen. Die Musik sollte mich zufrieden machen.
Wie gingen Sie an die Arbeit?
Ich habe auf Deutsch geschrieben, ironisch-distanziert. Sirup stand für depressive englischsprachige Musik. Davon wollte ich weg. Wenn solche Musik wirklich funktioniert, ist das Publikum einfach nur schlecht drauf.
Jetzt machen Sie nur noch Gute-Laune-Musik?
Aber nicht in einem Scooter-Sinn von „happy, happy, happy“. Ich finde es gut, wenn die Menschen im Konzert sich zu der Musik bewegen, auch mal lächeln.
Was war in den drei Jahren, in denen es Nachlader gibt, Ihr skurrilstes Erlebnis?
Das passierte auf der letzten Tour in Magdeburg. Es kam nur ein Gast – und der wollte die Vorband sehen. Wir haben trotzdem zu dritt auf der Bühne gespielt, der Fan war zufrieden, und während einer Pause sagte auf einmal der Tonmann in schönstem Sächsisch: Es wäre ganz schön, wenn wir jetzt aufhören könnten, meine Mutter hat nämlich heute Geburtstag, da komm ich noch vor zwölf Uhr hin. Wir haben es locker genommen.
INTERVIEW: ULF LIPPITZ