Rückkehr der Legende

Talentschmiede der Woche: Eine Turnschule trägt jetzt den Namen der DDR-Spitzenturnerin Maxi Gnauck. Um sie als Trainerin zu engagieren, fehlt das Geld

Seit Samstag prangt ein Schild an der Frauenturnhalle im Sportforum Hohenschönhausen. Darauf steht in grüner Schrift „Turntalenteschule Maxi Gnauck“. Es soll ein Zeichen sein gegen den Trend, gegen den Niedergang einer Sportart, für die Maxi Gnauck, 40, nun ihren Namen gibt. Es ist eine milde Spende. Gnauck hätte sich auch als Trainerin verpflichten können. Doch es ist nicht genügend Geld da, um die Olympiasiegerin und fünfmalige Weltmeisterin zu bezahlen. So bleibt sie arbeitslos.

„Mini Maxi“ war das turnende Gesicht des Sozialismus. Auf sie passte die Bezeichnung „Botschafter im Trainingsanzug“ ziemlich genau. Als Gnauck noch Flickflacks übte, da war der SC Dynamo Berlin der erfolgreichste Turnklub der Welt. In dieser Halle im hintersten Winkel des Sportforums quälte sich die kleine Maxi – und sie ließ sich quälen: Ein Dutzend Trainer stand bereit, um das Mädchen auf Form zu trimmen.

Nun ist ein einziger Trainer übrig geblieben, der am Landesstützpunkt wirkt. Mittel wurden gekürzt, über Jahre hinweg. Der Olympiastützpunkt Berlin hat sich zudem entschieden, das Frauenturnen nicht mehr zu fördern. Begründung: fehlende Leistungen auf internationaler Bühne. Nur noch eine Turnerin von Format trainiert in Berlin: Katja Abel. Sie erholt sich gerade von den Folgen eines schweren Trainingsunfalls. Wenigstens kann sie zur Eröffnung der Gnauck-Schule eine Übung am Balken zeigen, die sie auch beim Turnfest (14. bis 20. Mai) darbieten will. Als Abel fertig ist mit ihrer Vorführung sagt Gnauck: „Wir müssen den Rückgang stoppen.“ Besonders zuversichtlich sieht sie dabei nicht aus.

Etwas agiler wirkt Jens-Uwe Kunze, 40, Geschäftsführer des Berliner Turnerbundes. Er hat eine Botschaft zu verkaufen, „und das schaffen wir nur mit prominenten Namen“. Kunze hat nichts Geringeres vor, als die Berliner Tradition des Frauenturnens wiederzubeleben. Er ist damit nicht allein. Der Turnverband zerbricht sich auch den Kopf. Nach allerlei Sitzungen, Tagungen und Konferenzen hat man sich auf ein Spitzensportkonzept 2012 geeinigt.

Unter anderem sollen in Deutschland Turnschulen „nach amerikanischem Vorbild“ entstehen, wie Kunze erklärt. Dort gebe es fast in jeder größeren Stadt solch eine Förderstätte für bewegungsfreudige Kinder. Vor kurzem wurde in Berlin bereits die Turntalenteschule „Andreas Wecker“ gegründet. Weitere sollen folgen. Kunze hat deswegen auch Eberhard Gienger angesprochen, doch der ehemalige Reck-Spezialist wollte offenbar seinen Namen nur für größere Projekte hergeben. Kunze sieht Berlin dennoch „in einer Vorreiterrolle“. Man setze Signale.

Die kleine Natalie setzt sich freilich erst mal auf den Hosenboden, weil sie bei einer Rolle über den Balken das Gleichgewicht verloren hat und vom Gerät plumpst. Sie ist eine von etwa 20 Mädchen, die ab fünf in der Gnauck’schen Turnhalle respektive Turnschule üben können, zunächst einmal die Woche, in der dritten Klasse dann bis zu viermal. Die Eltern bezahlen dafür 30 bis 50 Euro im Monat.

„Es ist tragisch, aber wir müssen uns an den eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen“, sagt Kunze. Wie ernst das gemeint ist, zeigt sich bei der Darbietung einer Nachwuchsturnerin am Stufenbarren. Stützpunkttrainer Steffen Gödicke, der letzte Verbliebene, assistiert beim Gienger-Salto. Als ihn das Mädchen schon beim ersten Versuch schafft, sagt Gödicke: „Das hätte ich jetzt nicht gedacht, das gibt mir Kraft.“ Maxi Gnauck applaudiert heftig. MARKUS VÖLKER