Bekannt wie ein bunter Hund

Juppy, der mediale Kopf und Chefclown der Ufa-Fabrik in Tempelhof, hat seine Biografie geschrieben. Das Buch lüftet das Juppy-Geheimnis zwar nicht, aber es macht deutlich: Alle kennen den Mann mit dem schwarzen Hut und den irgendwie blond gearteten Zottelhaaren, obwohl keiner weiß, wer er ist

Der Altlinke ist noch keine 57 und legt schon das Buch seines Lebens vor

Von Waltraud Schwab

Bekannt wie ein bunter Hund ist Juppy in Berlin. Läuft rum mit seinem schwarzen Hut, an dem von innen – das darf angenommen werden – die irgendwie blond gearteten Zottelhaare kleben. Rot sollen sie mal gewesen sein. Zu Juppys Leidwesen übrigens, denn Rothaarige hatten in der Nachkriegsgesellschaft einen schweren Stand. Sie galten als Exoten und wurden verlacht, vor allem auf dem Land.

Trittenheim – das Kaff bei Trier, wo Juppy 1948 zur Welt kommt – macht da keine Ausnahme. Erst seit Individualität groß geschrieben wird, sind rote Haare en vogue. Juppy sind sie derweil etwas ausgeblichen vom Leben.

Der Mann, von dem hier die Rede ist, hat 1979 die Ufa-Fabrik in Tempelhof mitbesetzt und gilt seither als Kopf und Chefclown der „Großstadtkommune“, die sich dort schon mehr als 25 Jahre hält. Dompteur ist er auch. Seine Hundenummer hat Geschichte geschrieben.

Aber obwohl alle Juppy kennen, weiß keiner so recht, wer er ist. Sein Markenzeichen neben Hut, Hund und Haaren: Immer hat er einen flotten Spruch auf den Lippen. Was er jenseits seiner Kalauer wirklich denkt? Wer soll das wissen?

Eigentlich heißt er Hans-Josef Becher. Den Namen mag er nicht. Lieber „Juppy“. Das soll fröhlich klingen. Mit seinen kleinen, runden Äuglein schaut er wie ein vom Licht geblendeter Siebenschläfer in die Runde. „Musste ich so alt werden, um herauszufinden, dass Wasser das Beste ist“, sagt er, zieht seinen Mund lachend in die Breite und hebt das Glas auf sein Wohl. Juppy ist Dompteur seiner selbst. Er greift in die Taschen seines Fracks, um sich zu vergewissern, dass die Brocken, die er sich hinwirft, um sich zum nächsten Kalauer hinüberzuretten, auch noch da sind. Der Mann ist eine Projektionsfläche für sich – und für die anderen.

Damit endlich Licht ins Juppy-Dunkel kommt, hat er nun seine Biografie geschrieben. Gut, er hat sie nicht ganz allein geschrieben, aber – so wird hartnäckig behauptet – er habe zumindest selbst erlebt, was in dem Buch steht. „Juppy, aus dem Leben eines Revoluzzers“, heißt das 270 Seiten dicke Werk. Der Titel gibt zu denken.

Revoluzzer, das soll ein Synonym sein für Chaot, für Extremist, für Radikaler, für Anarchist. Es ist ein Schimpfwort für einen falschen Revolutionär. Einen, der nicht so vornehm, so zielgerichtet und ohne theoretischen Überbau daherkommt. Ein yummy Juppy – ein toller Typ – ein Revoluzzer Lampenputzer. Mühsam das.

Aber so einfach ist es dann auch wieder nicht. Denn nennt sich einer selbst Revoluzzer, wird er sich ja wohl nicht beschimpfen wollen, sondern sich adeln mit dem Wort. Im Grunde seines Herzens weiß er: Er ist der wahre Held. Keine Seite in seiner Biografie, die daran einen Zweifel ließe.

„Wir haben Revoluzzer geschrieben“, meint Juppy, weil das nicht so hochtrabend sei. Er sagt es während der Soiree, die ihm und seinem Buch zu Ehren in der Ufa-Fabrik stattfand. Die Worte kommen ihm scheu über die Lippen, grad so, als sei er noch nie in der ersten Reihe auf der Bühne gestanden.

Die Bescheidenheit stimmt nur deshalb, weil er plötzlich nicht als Chaot auf dem Podium ist, sondern vielmehr als einer, der Ernst genommen werden will. Für einen, der sich ansonsten immer hinter einem Witz versteckt, ist das eine Herausforderung.

Ernst genommen wird einer, indem er gelobt wird. Mit anerkennenden Worten wird auf besagtem Buchvorstellungsevent dann auch nicht gespart. Juppy sei ein Mensch, der keine Vorurteile kenne. Einer, der seine Visionen lebe. Einer, der viel bewegt habe in der Stadt. Ein Phantast-Enthusiast-Dynast (schließlich sei die Ufa-Fabrik ein Staat in der Stadt), und last, not least, ein Outcast. (Eine Zeit lang betrog er die Postbank. Mit dem erschlichenen Geld finanzierte er ein Drogenprojekt. Als es aufflog, lebte er jahrelang illegal in Berlin.)

Ein Weltverbesserer sei er eben. Ein Himmelsstürmer. Kein Traumtänzer. Immer am Machbaren orientiert. Wenn all das in etwa stimmt und in etwa so gemeint ist, bleibt als einziges Fazit: Juppy ist ein Mann, der Widersprüche nicht kennt. Ob das immer gut ist?

Auf irritierende Weise wird die Widerspruchsfreiheit an diesem Abend bestätigt. Denn zu den anwesenden Ehrengästen der Soiree zählen Christian Ströbele (grün), Walter Momper (rot) und der so pechschwarz christdemokratisch orientierte Klaus-Rüdiger Landowsky.

Letzterer – gut aussehend und sichtlich erholt – sei ein Freund, meint Juppy. Aber Freunde, das wird an diesem Abend und auch bei der anschließenden Lektüre seines Buches deutlich, hat Juppy ziemlich viele. Kein Kapitel, das nicht mit einer Verbrüderung endet.

Die drei so unterschiedlichen Kontrahenten an einem Abend zusammenzubekommen, das schaffe nur einer, jauchzt Gerhard Horstmeier, der frühere Chef der Berliner „Abendschau“, heute ebenfalls ein Freund, dem Juppy früher bei jeder Gelegenheit die Bude einrannte. Die Mediengesellschaft hatte noch nicht begonnen, da wusste der Ex-Trittenheimer, Ex-Robin-Hood, Ex-Lover – ein Frauenverehrer ist er natürlich auch – und Beinah-Berliner-Kultursenator schon, dass Publicity alles ist.

Juppy war seiner Zeit eben gern voraus. Er besetzte das Ufa-Gelände, bevor das mit der Hausbesetzerbewegung richtig ins Laufen kam. Er machte sich zum Markenzeichen zu einer Zeit, als das Kollektiv noch alles war. Er orientierte sich jenseits von rechts und links, als die neue Mitte noch gar nicht erfunden ist. Juppy ist Avantgardist. Das große Rätsel um seine Person löst diese Erkenntnis allerdings nicht.

Unter dem Aspekt, dass Juppy immer der Erste ist, ist übrigens auch diese Biografie zu verstehen. Der Altlinke-Hippie-Hundedompteur-Kommunarde-Schinderhannes – „wir machen Intelligenzverbrechen und keine Überfälle“ – ist noch keine 57 und legt schon das Buch seines Lebens vor. Ein dunkler Morgen dämmert bei der Vorstellung, dass all die anderen ehemaligen Revolutionäre bald nachziehen könnten.

Juppy (in Zusammenarbeit mit Daniel Gäsche): „Aus dem Leben eines Revoluzzers“, 270 Seiten gebunden, Militzke Verlag, Leipzig 2005, 19,90 Euro