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Archiv-Artikel

Das Gesicht der Mavericks

Dirk Nowitzki ist in dieser Saison zum absoluten Star des Basketball-Teams aus Dallas geworden, steht bereits in den Play-offs und gehört zum engeren Kreis für die Wahl zum besten Spieler der Liga

AUS DALLAS JOACHIM MÖLTER

Wenn die Basketballspiele im American Airlines Center von Dallas länger unterbrochen sind, flimmert Werbung über die Videoleinwand, die von der Decke herunterhängt, und in mindestens jeder zweiten taucht ein großer blonder Mann auf: am Schlagzeug trommelnd, in die Hände klatschend, an einen Stuhl gefesselt. Es sind fast immer Zeichentrickfilme, weil die echte Figur zu beschäftigt ist für Werbeaufnahmen, aber spätestens wenn man einmal durch die Gänge der Arena schlendert, errät man, wen die Comic-Figuren darstellen sollen: Dirk Nowitzki, den großen blonden Deutschen. Man kann ihn kaum übersehen in diesen Tagen, im American Airlines Center hängen Poster von ihm und stehen lebensgroße Pappkameraden; und von den Leuten, die mit Trikots oder T-Shirts seines Klubs herumlaufen, tragen neun von zehn seinen Namen und seine Nummer 41 auf dem Rücken. „Dirk ist der Spieler, den wir am meisten herausstellen“, sagt Donnie Nelson, der für das Sportliche zuständige Präsident der Dallas Mavericks. „Er ist das Gesicht des ganzen Unternehmens“, schrieb neulich die Zeitung Star Telegram aus dem benachbarten Fort Worth.

In Dallas und Umgebung gibt es derzeit keinen populäreren Sportler als Dirk Nowitzki, egal welcher Profession, und das hat damit zu tun, dass er die Mavericks zeitweise so gut wie allein zu mittlerweile 52 Saisonsiegen geführt hat und damit in die Play-offs der amerikanischen Profiliga NBA, die am übernächsten Wochenende beginnen. Das Team hat sich bereits den Heimvorteil in der ersten K.o.-Runde gesichert, obwohl es bis vor kurzem von Verletzungen geplagt war. Aber „Dirk hat uns getragen“, sagt Don Nelson, der unlängst zurückgetretene Cheftrainer der Mavericks und Vater des Klubpräsidenten: „Egal, welche Probleme wir auch hatten, er hat uns einfach nicht verlieren lassen. Er war einfach zu gut.“

Dirk Nowitzki ist in dieser Saison sogar so gut, dass einige Experten den 26-Jährigen erstmals zum kleinen Kreis der MVP-Anwärter zählen, der Auszeichnung für den „Most Valuable Player“, quasi den Spieler des Jahres. Don Nelson vertritt zwar die überwiegende Ansicht, dass dafür eher Shaquille O’Neal oder Steve Nash in Frage kommen, weil die ihre neuen Klubs Miami Heat und Phoenix Suns aus den Niederungen der Tabelle an die Spitze gehievt haben. Auch Dirk Nowitzki selbst sieht sich noch nicht auf diesem Gipfel: „Irgendwann vielleicht einmal“, sagt er, „im Moment mag ich noch nicht in dieser Kategorie erwähnt werden.“ Aber Fakt ist, dass der Mann aus Würzburg wieder eine Stufe nach oben gestiegen ist auf der Karriereleiter. Und dass er die nötigen Referenzen hat, um bei der Wahl des MVP ernsthaft in die Überlegungen einbezogen zu werden.

Nowitzki ist der einzige Spieler, der in den beiden wichtigsten Individual-Statistiken der NBA unter den ersten zehn auftaucht: Als Schütze ist er Vierter mit 26,3 Punkten im Schnitt, als Rebounder Achter mit 9,9 – beides sind Höchstmarken in seiner Karriere. Er ist auch der Einzige, der in dieser Saison schon zweimal Spieler des Monats war, im Dezember und im Februar. Aber das hat längst nicht alle Fachleute von seinen Fähigkeiten überzeugt. Der ehemalige Profi Charles Barkley mäkelte unlängst im Fernsehen herum: „Wenn Nowitzki nicht punktet, hinterlässt er keinen Eindruck.“ Damit vertritt er das gängige Vorurteil, dass der Würzburger nur werfen könne und sonst nicht viel. Aber dem amerikanischen Altstar ist entgangen, dass der deutsche Jungstar mächtig dazugelernt hat. „Dirk ist ein kompletter Spieler“, sagt sein Teamkollege Keith van Horn nach dem Sieg über die Utah Jazz am Samstag (88:81). Da hatte kein anderer so viele Punkte erzielt (26), Abpraller gefangen (9), gegnerische Würfe geblockt (5) und Vorlagen gegeben (5) wie Nowitzki. „Mir gefällt seine Vielseitigkeit“, sagt van Horn, „man sollte ihn wenigstens zu den besten fünf Spielern in dieser Liga rechnen.“

Michael Finley, der dienstälteste Profi des texanischen Klubs, sagt: „Man muss schon ein außergewöhnliches Jahr haben, um in dieser Liga der MVP zu werden.“ Aber er zweifelt nicht, dass Nowitzki bis zur Wahl des besten Spielers noch einige Skeptiker überzeugen wird: „In den Play-offs macht man sich einen Namen“, sagt Finley, „und da hat sich Dirk ja schon in den letzten Jahren als Spitzenspieler etabliert. In diesem Jahr hat er die Gelegenheit, einen weiteren Schritt zu machen, und ich versuche, ihn dabei anzuschieben.“