LANGFRISTIG SCHADET SCHRÖDER IN RUSSLAND DEN DEUTSCHEN INTERESSEN
: Stabilität gibt es nur mit Recht

Niemand weiß, worin die Essenz dieser rührenden Männerfreundschaft, die Gerhard Schröder und Wladimir Putin immer wieder aufs Neue zelebrieren, tatsächlich besteht. Eins steht indes fest: Im Philoputinismus des Kanzlers sind Politik und Privates auf Engste miteinander vermengt. Das erklärt, warum Kritik an seiner Russlandpolitik den Kanzler nicht anficht. Die freundschaftlichen Gefühle Putins hingegen lassen sich leichter verstehen. Schröders Zuneigung, seine Stilisierung des Kremlchefs zum lupenreinen Demokraten, sind für den rat- und konzeptlosen Politiker aus Moskau zurzeit mehr wert als alles Öl und Gas Sibiriens.

Die jüngsten Vorwürfe des Yukos-Anwalts Robert Amsterdam, Schröder trage Mitschuld an der Zerschlagung des Ölkonzerns, schießen zwar über das Ziel hinaus, sind aber nicht unbegründet. Deutschland, Schröder und die Deutsche Bank haben eine unrühmliche Rolle bei der Zerschlagung des Konzerns gespielt. Freundschaft und exklusive Kapitalinteressen wurden höher bewertet als Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Um als Mahner in Sachen Demokratie in Russland aufzutreten, fehlt Berlin inzwischen Glaubwürdigkeit.

Langfristig ist deutschen Interessen damit nicht gedient. Denn auch der Wirtschaft dürfte an einem funktionierenden Justizsystem längerfristig mehr gelegen sein, denn an einem flüchtigen Extraprofit. Berlins Politik im Umgang mit Russland sitzt einem Irrtum auf. Sie beruht auf der Annahme, das Regime Putin stehe für Stabilität. Doch kann von Stabilität dort keine Rede sein, wo Demokratie und Recht mit Füßen getreten werden. Wer im Innern mit Gewalt und Gesetzlosigkeit herrscht, provoziert auf lange Sicht Gegenwehr. Vor allem stellen derartige semiautokratische Systeme aufgrund ihrer Krisenanfälligkeit auch für die Nachbarstaaten eine permanente Bedrohung dar.

Wer die Demokratie in Russland fördern will, kommt nicht drumherum, die demokratischen Anstrengungen bei den Nachbarn mehr als bisher tatkräftig zu unterstützen – auch auf die Gefahr hin, dass Moskau beleidigt sein könnte.

KLAUS-HELGE DONATH