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Archiv-Artikel

Rot-grüner Castor-Transport

ATOM I Trotz offizieller Ablehnung beteiligt sich die Landesregierung NRW an der Vorbereitung des Atommülltourismus von Jülich nach Ahaus

Um an kontaminierte Erde zu gelangen, soll der Reaktor selbst gekippt und verschoben werden

BOCHUM taz | „Teuer, sinnlos und unsicher“: Das ist die offizielle Position der rot-grünen NRW-Landesregierung zu Castor-Transporten aus dem Forschungszentrum Jülich nach Ahaus, zuletzt ausgegeben vom für die Atomaufsicht zuständigen Wirtschaftsminister Harry Voigtsberger (SPD). Hinter den Kulissen aber arbeiten ihre Beamten weiter an der Vorbereitung des Atommülltourismus.

Auf Einladung der Firma „Nuclear Cargo + Service“ haben Vertreter des Landeswirtschafts- wie des Innenministeriums an einem Treffen teilgenommen, bei dem ein Castor-Probelauf Thema war. Das bestätigten Sprecher beider Häuser der taz. Der Probelauf gilt als Voraussetzung für eine Genehmigung durch das Bundesamt für Strahlenschutz.

In dem Jülicher Zentrum, das zu 90 Prozent dem Bund und zu zehn Prozent dem Land gehört, hatten Forscher an der Entwicklung eines Kugelhaufenreaktors gearbeitet, den viele Experten für gescheitert halten: Die Brennelement-Kugeln zerbröseln gern im Betrieb. Hochradioaktives Kühlwasser belastet der Boden unter dem Reaktor.

Um den Ruf des Forschungszentrums zu retten, sollen auf Druck des Bundes nun über 280.000 Brennelemente per Lkw über Autobahnen ins 170 Kilometer entfernte Zwischenlager Ahaus gekarrt werden. Um an die kontaminierte Erde zu gelangen, soll der Reaktor in einer weltweit einmaligen Aktion gekippt und einige hundert Meter verschoben werden.

Atomkraftgegner fordern, dass die Brennelemente in Jülich bleiben – schließlich drohten nicht nur Unfälle beim Transport: Letzte Woche ordnete CDU-Bundesumweltminister Norbert Röttgen an, alle Zwischenlager bundesweit mit Mauern gegen Terrorangriffe nachzurüsten. Nach Meinung von Atomkraftkritikern helfen auch die jedoch nicht gegen Flugzeugabstürze.

Die NRW-Landesregierung sieht allein Röttgen in der Verantwortung. Der plane „diese Castor-Transporte auf Kosten des Landes und zu Lasten der Sicherheit der Menschen“, so Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) auf taz-Anfrage. Rot-Grün versuche, „diesen Unsinn mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern“.

Der Anti-AKW-Bewegung aber reicht das nicht. „Heuchlerisch und doppelzüngig“ agiere die Landesregierung, kritisiert Matthias Eickhoff von der Initiative Sofortiger Atomausstieg. Die Regierung müsse aus den Vorbereitungen aussteigen. So habe sie „die Chance, die Transporte zu verhindern“. ANDREAS WYPUTTA