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Archiv-Artikel

Regierungsgeld verschafft Rover kaum Luft

Der chinesische Autobauer SAIC könnte das Schicksal des britischen Konkurrenten längst besiegelt haben. Trotzdem hofft die Regierung Blair noch auf eine neue Idee der Konkursverwalter zur Rettung der 6.100 Arbeitsplätze

DUBLIN taz ■ Rover darf nicht sterben. Jedenfalls nicht vor den britischen Wahlen am 5. Mai. Der Verlust von 6.100 Arbeitsplätzen im Werk des letzten britischen Autobauers in Longbridge bei Birmingham, wo die Produktion vor hundert Jahren begann, könnte zum Verlust von Stimmen in einigen umkämpften Wahlkreisen in den englischen Midlands führen, glaubt die Regierung. Deshalb hat sie vorgestern entschieden, das Unternehmen, das am Freitag Konkursantrag gestellt hat, mit 6,5 Millionen Pfund zu stützen.

Die Finanzspritze dient dazu, die Arbeiter bis zum Wochenende zu bezahlen, um den Konkursverwaltern Spielraum für weitere Verhandlungen mit der Automobilfirma Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC) zu verschaffen. Das chinesische Unternehmen hatte vorige Woche Abstand von der geplanten Kooperation genommen, weil es befürchtete, bei einer späteren Pleite für Rover-Verbindlichkeiten wie Renten und Abfindungen verantwortlich gemacht zu werden.

Die Konkursverwalter informierten die Rover-Arbeiter gestern, dass ihre Firma sowie das Subunternehmen Powertrain bis zu 25 Millionen Pfund Verlust im Monat einführen. „Ohne finanzielle Hilfe von außen“, hieß es, „können die beiden Unternehmen die Arbeitnehmer nicht über den 11. April hinaus bezahlen.“ Wegen des Regierungsgeldes müsse man jedoch noch nicht über Entlassungen reden.

Premierminister Tony Blair hatte betont, wie wichtig die industrielle Produktion für Großbritannien sei. Allerdings sei sie trotz der starken Konjunktur in den letzten Jahren zurückgegangen – seit Blairs Amtsantritt im Jahr 1997 sind dort eine Million Jobs verloren gegangen.

Digby Jones, Generaldirektor des Verbands der britischen Industrie, sagte, es sei „nicht die Aufgabe der Regierung, lahme Enten zu stützen“. Die Rover-Krise müsse privatwirtschaftlich gelöst werden. Das Unternehmen könne gerettet werden – aber mit nur 1.000 Arbeitsplätzen.

Die Tatsache, dass sich die Rover-Eigentümer trotz der Probleme des Unternehmens persönlich bereichert haben, bezeichnete Jones als „absolut erschreckend“. Im Mai 2001 hatte der deutsche Autobauer BMW sein Engagement bei den Briten beendet und Rover für den symbolischen Preis von zehn Pfund an das Phoenix-Konsortium unter Leitung von Ex-Rover-Chef John Towers verkauft. Seitdem haben sich Towers und seine vier Kompagnons 9,7 Millionen Pfund Gehalt gezahlt sowie für sich und ihre Familien einen Pensionsfonds in Höhe von 16,5 Millionen Pfund eingerichtet. Schatzkanzler Gordon Brown kündigte dazu eine Untersuchung an.

Gewerkschaftschef Tony Woodley sagte, bis zum Wochenende werde man wissen, ob der Verlust von bis zu 20.000 Arbeitsplätzen bei Rover und den Zulieferfirmen abgewendet werden könne. Einige Zulieferer, die um ihr Geld fürchteten, haben die Zusammenarbeit mit Rover bereits eingestellt und mit Entlassungen begonnen.

Die Chancen, dass sich Rover und SAIC doch noch einig werden, schienen gestern eher gering. Ein Sprecher des chinesischen Unternehmens sagte: „Unsere Position ist unverändert. Wir glauben, es ist sehr unwahrscheinlich, dass SAIC sich mit Rover einlässt, solange die Firma unter Konkursverwaltung steht.“

Am Sonntag war allerdings herausgekommen, dass SAIC praktisch ein Vetorecht beim Verkauf von Rover hat. Die Chinesen haben im vergangenen Herbst 67 Millionen Pfund für das geistige Eigentum an Powertrain und den Rover-Modellen R75 und R25 erworben. Damit ist Rover für andere Käufer vollkommen uninteressant. SAIC könnte de facto den Preis für die interessanten Teile des Longbridge-Werkes diktieren und sie nach China verfrachten.

RALF SOTSCHECK