: Distanz zum eigenen Auftragswerk
BÜCHER Mittwoch beginnt die Bremer Literarische Woche. Das Forschungsgutachten über den Preispatron Rudolf Alexander Schröder möchte sich die Schröder-Stiftung „nicht zu eigen“ machen
In der Literarischen Woche finden in diesem Jahr vom 18. Januar bis zum 3. Februar an unterschiedlichen Örtlichkeiten in Bremen insgesamt 16 Veranstaltungen statt.
■ Im Rahmenprogramm wird bereits zum 58. Mal der Bremer Literatur- sowie ein Förderpreis verliehen. Der mit 20.000 Euro dotierte Literaturpreis geht in diesem Jahr an Marlene Steeruwitz für ihren Thriller „Die Schmerzmacherin“. Der mit 6.000 Euro dotierte Förderpreis wird Joachim Meyerhoff für sein Romandebüt „Alle Toten fliegen hoch. Amerika.“ verliehen. (taz)
„Das hat es noch nie gegeben“, sagt Stadtbibliotheks-Direktorin Barbara Lison, die auch als Geschäftsführerin der Rudolf-Alexander-Schröder-Stiftung fungiert, die alljährlich den Bremer Literaturpreis verleiht – „einen der höchst angesehenen Preise im deutschsprachigen Raum“, wie Lison betont. „Erstmals seit 50 oder 60 Jahren“, sagt Lison – wird der Preis nicht mehr in Schröders Namen verliehen, weil Schröder auch den „Deutschen Schwur“ verfasste, mit dem der Tageslauf der Hitler-Jugend begann? Nein, die Neuerung ist eine Nuance unwesentlicher: Die Preisverleihung in der Oberen Rathaushalle am 26. Januar – Schröders Geburtstag, an dem er 1938 am selben Ort von Bürgermeister und SA-Gruppenführer Boehmcker die eigens für ihn ins Leben gerufene Senatsmedaille entgegennahm – beginnt nicht traditionsgemäß um 12 Uhr. Sondern eine Stunde später.
Hintergrund ist, dass den Abgeordneten der Bürgerschaft Gelegenheit gegeben werden soll, neben den zahlreichen Gästen von Auswärts an der umfangreichen Zeremonie teilzunehmen. Eben diese Abgeordneten sollten sich, so wurde vor einem Jahr auf einer Diskussionsveranstaltung über eine mögliche Distanzierung von Schröder angeregt, sich mit einem adäquaten Umgang mit dem Patron des Literaturpreises befassen – was allerdings bislang nicht geschah. Ebenso wenig wurde das Gutachten veröffentlicht, das die Schröder-Stiftung und der Kultursenator vor zwei Jahren über die „Ambivalenzen im Leben und Wirken R. A. Schröders“ in Auftrag gegeben hatten. „Der Stiftungs-Vorstand hat sich das Gutachten nicht zu Eigen gemacht“, erklärt Geschäftsführerin Lison auf Nachfrage. Der Vorstand schätze das Werk in der Darstellung der politisch-moralischen Haltung Schröders als „zu eindimensional“ ein. Deswegen sei das Werk auch nicht, wie vor einem Jahr angekündigt, auf die Homepage der Schröder-Stiftung gestellt worden, wo Schröder noch immer vornehmlich als Vertreter der „Inneren Emigration“ gewürdigt wird. Bei begründetem Interesse, sagt Lison, könne das Forschungsgutachten jedoch auf Einzelanfrage hin zugänglich gemacht werden.
Wer das Gutachten anfordert, findet dort unter anderem eine Einschätzung NSDAP-Kreisleitung Traunstein vom 21. Januar 1941. Dort heißt es: „Schröder ist seit etwa 2 Jahren als freier Schriftsteller in Bergen wohnhaft und während dieser Zeit nicht zu beanstanden. Seine frühere politische Einstellung ist nicht bekannt. In seinen Schriften ist er Verfechter nat.soz. Gedankengutes und auch sein allgemeines Verhalten läßt unbedingte Bejahung unseres Staates annehmen.“ Ein Urteil, das sicher einer Kontextualisierung bedarf – aber auch zur Kenntnis genommen werden sollte.
Trotz dieser Unstimmigkeiten im Hintergrund findet die diesjährige Literarische Woche wie gewohnt statt, dieses Jahr unter dem Titel „stadtRAND+“. Der literarische Blick wird dieses Jahr rückwärts gerichtet, aus den Vororten und der Peripherie hinein in die Stadt. Die Umkehrung der normalen Blickweise soll die Themen der Peripherie, Armut, Sexualität, Gentrifizierung und ihre Auswirkungen auf das städtische Zentrum beleuchten. Mit verschiedenen Veranstaltungsformaten wird versucht, die Besonderheiten des Lebens am Stadtrand und die Gründe für den Wohnortswechsel zwischen Innenstadt und Vorort zu verstehen. Als einer der Höhepunkte wird am 26. Januar, dem Geburtstag von Rudolf Alexander Schröder, der Bremer Literaturpreis verliehen.
Anissa Brinkhoff/Henning Bleyl