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ProzessAnwalt macht aus Tätern Opfer

Verteidiger eines mutmaßlich rechtsextremen Täters beschimpft Medien und Opfer. Die Angeklagten sollen Dönerimbiss in Lichtenberg angegriffen haben.

Da horchten die kreuzworträtselnden Gerichtsreporterinnen im Saal C 103 des Amtsgerichts Tiergarten doch noch auf: Ausgerechnet sie bezeichnete Rechtsanwalt Carsten Schrank am Mittwoch als "gierige Meute", die seinem Mandanten nachstelle, ihn unerlaubt fotografiere und öffentlich als Neonazi vorverurteile. Die Angesprochenen fanden das skandalös. Schranks Mandant Ronny S. wird schwere Köperverletzung und das Zeigen des Hitlergrußes vorgeworfen. Doch der Verteidiger sorgt sich vor allem um das Ansehen seines Mandanten. Bevor überhaupt die Anklage verlesen werden konnte, beantragte er daher, die Öffentlichkeit auszuschließen. Das Verfahren wurde daraufhin auf November vertagt.

Schranks Mandant Ronny S. wird zusammen mit Marcel E. vorgeworfen, in der Nacht vom 8. auf den 9. September 2006 den Imbissbudenbesitzer Resit Özer beleidigt, gefährlich verletzt und verfassungsfeindliche Kennzeichen - den Hitlergruß - verwendet zu haben. Özer, der sich nach Angaben seiner Anwältin Birgit Stenzel in psychologischer Behandlung befindet, gab im August den Betrieb seines Lokals in der Lichtenberger Weitlingstraße auf, weil er und seine Gäste wiederholt von rechtsradikalen Attacken heimgesucht worden seien (taz berichtete).

Rechtsanwalt Schrank verbat sich indes die Erwähnung eines möglicherweise rechtsradikalen Hintergrunds der mutmaßlichen Täter. Stattdessen warf er dem Zeugen Özer vor, den Zwischenfall öffentlich "als rechtsextremen Überfall zu inszenieren" und in der Presse zu vermarkten. So habe er Journalisten gegen Geld falsche Informationen gegeben; die Schließung seines Lokals habe, so Schrank weiter, rein ökonomische und gesundheitliche Gründe gehabt.

Schrank ist ein in der rechten Szene geschätzter Anwalt. Er verteidigte mehrere Angeklagte, die 1999 in Guben an einer tödlichen Hetzjagd auf einen Algerier beteiligt waren. Im August 2000 referierte er auf Einladung der NPD im sächsischen Königstein über das Thema "Wie verhalte ich mich bei einer Hausdurchsuchung?". Die rechtsextreme Partei vertrat Schrank auch bei ihrem vergeblichen Versuch, die Berliner Polizei zu verklagen, weil diese einen NPD-Aufmarsch am 8. Mai 2005 wegen zu vieler Gegendemonstranten gestoppt hatte.

Auf der Internetseite seiner Kanzlei finden "Interessierte" zwei Links zu Paragrafen des Strafgesetzbuchs, die in ihrer "rechtsstaatlichen Brisanz oft weit unterschätzt" würden: Volksverhetzung und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Die beiden Angeklagten gehörten zur Neonazi-Szene, die sich ungestört in der Kneipe Kiste, ganz in der Nähe der ehemaligen Dönerbude, treffe, sagte der vom Gericht als Zeuge geladene Thomas S. (41) am Rande des Prozesses der taz. Er sei dabei gewesen, als die zwei Beschuldigten in das Lokal kamen. Stühle seien geflogen und Parolen wie "Hau ab, Kanake!" und "Geh zurück nach Istanbul!" zu hören gewesen. Resit Özer habe in Türnähe gestanden und aufgeräumt, als ihn einer der beiden Männer am Hals packte und zudrückte.

Die Würgemale, sagte Rechtsanwältin Birgit Stenzel, seien deutlich sichtbar gewesen. Der Antrag Schranks, die Öffentlichkeit vom Verfahren auszuschließen, wird ihrer Ansicht nach "auf jeden Fall abgelehnt", das Medieninteresse an den Beschuldigten aber umso größer.

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