„Beleg für Vorurteile“

VORTRAG Daniel Kulla erklärt, dass Verschwörungs-Ideologien nur Vorurteile befriedigen

■ 34, bloggt auf classless.org, ist Autor des Buches „Entschwörungstheorie“. Im Oktober erschien „Raven wegen Deutschland“ im Ventil Verlag.

taz: Herr Kulla, haben Sie eine Lieblings-Verschwörungstheorie?

Daniel Kulla: Nicht wirklich. Die meisten Verschwörungsideologien sind nicht schön und auch nicht komisch. Denn es geht dabei um gefährliche Feindbilder, um Menschen, die verfolgt werden sollen.

Nun kommen Verschwörungen ja auch immer wieder vor.

Ja, Verbrechen versucht man zu verbergen, vom Putsch bis zum Straßenraub. Sich damit zu beschäftigen ist nicht irre.

Wann wird es kritisch?

Dann, wenn ich überall Verschwörungen sehe, es immer auf eine Gruppe zurückführe und statt einer offenen Frage nur einen Beleg für Vorurteile suche.

Hat sich das historisch verändert?

Bis zum 18. Jahrhundert waren es mehr Behelfserklärungen, weil man die Umstände nicht anders verstanden hat. Erst nach der französischen Revolution gibt es Leute, die für die Umwälzung Freimaurer oder Illuminaten verantwortlich machten, obwohl sie wussten, dass es mit Hunger und einem anderen Gesellschaftsentwurf begründet wurde.

Und heutzutage?

Nach dem 11. September gab es einen Aufschwung dieser Ideologien. Im öffentlichen Diskurs werden fremde Finanzjongleure oder Ausländer für Probleme verantwortlich gemacht. In Ungarn wird Juden unterstellt, Roma ins Land gebracht zu haben, um es kaputt zu machen.

Hat das immer eine Nähe zu rassistischer Ideologie?

Es lässt sich jede Ideologie zuspitzen. Aber Antisemitismus ist die Mutter aller Verschwörungsideologien. Interview: jpb

20 Uhr, Infoladen, St. Paulistr. 10