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Archiv-Artikel

Wenn Gott am liebsten boxen möchte

Manchmal kann der Schöpfer ganz schön kindisch sein: Das Theater am Strom präsentiert am Fundus Theater „Noah und der große Regen“

„Ich ziehe Parallelen zwischen Gott und den Kindern“„Wir können keine theologischen Antworten bieten“

von Petra Schellen

An manchen Tagen, da hat Gott einfach keine Lust mehr auf seine Schöpfung. Dann ist er nörgelig und bös, findet scheußlich, was aus seinen Plänen wurde – und würde am liebsten alles kurz und klein boxen. Wie ein Kind eben, das mal schnell den Bauklotz-Turm zertritt. Um dann Gott zu spielen und etwas Neues zu bauen, das wieder nur vergänglich ist.

Was aber, wenn Gott und das bockige Vierjährige sich treffen? Wenn sie große Parallelen finden, die von Gereiztheit bis zu Starrsinn und Jähzorn reichen? Entspräche dies überhaupt noch dem aktuell gepflegten Gottesbild? Oder ist es gerade die Vorstellung vom allmächtigen, strafenden Gott, die immer noch durch unser Denken geistert? „Ich habe bewusst Parallelen zwischen Gott und den Kindern gesucht“, sagt Christiane Richers, Regisseurin des Stücks Noah und der große Regen, das am morgigen Sonntag am Fundus Theater Premiere hat und für Vier- bis Achtjährige gedacht ist.

Es ist der erste biblische Stoff, den die langjährige freie Theatermacherin und Gründerin des Theaters am Strom in ihr Repertoire aufnahm; „und ich betrachte das nicht als Beginn einer neuen religiösen Reihe“. Es handele sich vielmehr um eine Geschichte, „mit der ich mich selbst provoziere, weil sie an so vielen Stellen wütend macht“.

Denn warum musste Gott das Geschaffene zerstören? Warum einen Einzigen – samt Sippe – auswählen; hat nur Noah bis dato fromm gelebt? „Er ist ungerecht, dieser Gott, und auch Noah und seine Frau – sie spielen abwechselnd Gott und Menschen – hadern in meinem Stück mit seiner Entscheidung, eine Sintflut zu schicken“, erklärt Richers.

„Ich will den Stab!“ „Nein, ich!“ schreien Morena Bartel und Ulrich Meyer-Horsch dann auch gleich zu Beginn: Ein klassischer Streit über die Frage, wer das Insignium der Allmacht halten und mal ganz kurz Gott spielen darf. Doch das allein ist es nicht, was Richers bewegt, die mit der Idee eines allmächtigen Übervaters wenig anfangen kann. „Religionen, die weniger hierarchisch denken, sind mir sympathischer. Trotzdem hat mich dieser Stoff geprägt, und ich möchte mich damit auseinander setzen.“

Und da sind sie also, Noah und seine Frau, umzingelt von verschiedenerlei Holzgetier sowie einer Meute blauer und lila Kuschelhasen, die alle mit in die Arche sollen. „Es geht mir um die Tiersorten und nicht darum, dass die Kinder einzelne Tiere ,süß‘ finden.“ Nein, Elefant, Giraffe und Schnecke als Typen sind wichtig – aber auch ganz konkret die Frage, ob die Ente der Giraffe zuliebe ein bisschen schneller watscheln soll. Und wie lange darf es dauern, bis alle über die klingende Xylophon-Gangway an Bord gestapft sind?

„Wir sind noch nicht sicher, ob Gottes Tierliste, an der sich Noah orientiert, nicht zu lang ist“, bekennt Richers nach einer der ersten Proben. Denn natürlich müssen Noah und seine Frau eine ganze Weile suchen, bis sie alle beisammen haben. „Den Quilk zum Beispiel“ – Richers zieht ein fünfarmiges Holz-Getüm hervor – „den finden sie nur schwer. Als er dann da ist, gibt es nur Probleme: Er quiekt und piept und versteht Noah einfach nicht. Er glaubt Noah nicht, will nicht mit – und ist infolgedessen aufgrund der Sintflut ausgestorben.“

Solche Episoden passieren eben auch in einer Noah-Geschichte. Und dann sind da noch die Hasen, deren Babys sich fürchten in der dunklen Arche – und die sich natürlich fragen lassen müssen, warum sie so viele Kinder kriegen. „Das liegt in unserer Natur“, quiekt die Hasenmutter; offen bleibt, ob hier Klischee oder Selbstbewusstsein bemüht werden sollen. Und wenn auch längst errechnet ist, dass Noah an die 145.000 Wirbeltiere mitgenommen haben muss, interessieren sich Richers und ihre MitstreiterInnen nicht sehr für die Frage, ob die nun wirklich alle in die Arche gepasst haben. Dass sie alle mitmüssen, ist vielmehr selbstverständlich – und auch, dass Noah während der ewig dauernden Fahrt gar nicht mehr recht fröhlich ist.

Warum dieser Gott alles kaputtmachen muss? „Wir können und wollen keine theologischen Antworten bieten“, betont Christiane Richers. „Wir können nur Fragen zu einem Thema stellen, das uns alle bewegt – nach der Wirkung von Naturgewalten und nach Unbegreifbarem überhaupt.“ Fragen vielleicht auch danach, ob Naturkatastrophen mit Gott überhaupt irgendetwas zu tun haben oder ob diese alte Geschichte nur ein – religiös motiviertes – Erklärungsmuster anbietet.

Oder ist die Noah-Geschichte eine Parabel, die von gar keiner konkreten Flut handelt? Hat sich der Verfasser – im Sinne des damaligen Zeitgeistes – einen Gott ausgedacht, der zornig und kindisch ist, mit dem Teufel um Hiob wettet und mal eben die Welt ertränkt? „Ein Funken Allmachtsphantasie, ein bisschen Gottspielenwollen steckt letztlich in uns allen“, sagt Christiane Richers nur.

Und dann ist da ja auch noch der bereuende Gott. Der versprochen hat, das mit der Sintflut nie wieder zu tun. „Gott hat doch noch was gesagt“, erinnert sich Noahs Frau, nachdem alle Tiere wieder an Land gegangen sind. „Er wollte sich bestimmt entschuldigen“, überlegt Noah. „Nein“, sagt er dann traurig. „Ich glaube, er ist noch nicht so weit.“

Premiere: So, 17.4., 16 Uhr, Fundus Theater, Hasselbrookstr 25. Weitere Vorstellungen: 21., 22.+24.4. Kartentelefon: 250 72 70