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Archiv-Artikel

Bei Angela Merkel vor der Haustür

ONLINE-PROTEST Campact mobilisierte zur Demo „Wir haben es satt“

Die Regentropfen vor dem Kanzleramt wandeln sich allmählich in Schneeflocken. Demo-Moderator Christoph Bautz schaudert, nicht nur vor Kälte. 23.000 Menschen haben die Politik von CSU-Agrarministerin Ilse Aigner satt und versammeln sich trotz des schlechten Wetters am Samstagmittag vor dem Kanzleramt. Bautz ist sichtbar überwältigt von den vielen Teilnehmern, die mit Traktoren, selbst gebastelten Schildern, Fahnen und Kostümen protestieren. Dass sogar mehr Demonstranten als vergangenes Jahr nach Berlin gereist sind, ist auch sein Verdienst.

Bautz ist Gründer und Geschäftsführer des Kampagnennetzwerks Campact, das seit Wochen die Veranstaltung bewirbt. Am Freitag wurde ein Appell an Aigner überreicht, den online 80.000 Personen unterzeichneten. Nach ähnlichen Aktionen hatte sich die Agrarministerin im Jahr 2009 dazu bewegen lassen, Genmais zu verbieten.

Campact, 2004 gegründet, thematisiert neben der Agrar- auch die Atom- und Finanzpolitik, den Klimaschutz, die Pressefreiheit und anderes. Bevor ein Appell gestartet wird, stimmen 1.000 zufällig ausgewählte Aktive über Vorschläge ab und diskutieren so lange, bis eine massentaugliche Kampagne entsteht.

510.822 Personen beziehen den Campact-Newsletter. „Beschlüsse werden nicht mehr wie früher im stillen Kämmerlein getroffen“, wirbt Christoph Bautz. Der Erfolg der Internet-Mobilisierung ist nur mit Bündnispartnern möglich, „sonst würde keiner glauben, dass wir so viel Ahnung von den Themen haben“.

Der Verein mit seinen inzwischen 20 Festangestellten finanziert sich vor allem über Spenden und Beiträge. Staatliche Gelder oder Parteispenden werden strikt abgelehnt. Nur so kann Campact die politische Unabhängigkeit wahren. Auf der Bühne ist Bautz ein leidenschaftlicher Redner: „Dieser Platz hier ist goldrichtig, direkt bei Angela Merkel vor der Haustür!“ Trotz Mobilisierung über das Internet – um die Hauptstadt kommt Bautz nicht herum. Er reist wöchentlich nach Berlin, um mit Bündnispartnern, Politikern oder Journalisten zu sprechen. Obwohl der politische Druck zum Kern seiner Arbeit zählt, sieht er sich nicht als Lobbyist. „Campact fungiert als Lautsprecher für viele Menschen“, erklärt der Geschäftsführer.

Auch wenn Bautz nie wissen kann, wie viele Leute sich letztlich mobilisieren lassen, zweifelt er nicht am Campact-Prinzip. Die Demo am Samstag wertet er als Erfolg: Trotz Regen und Kälte blieb die Stimmung gut.

THERESA ZIMMERMANN