Prostitution im Prinzip zumutbar

Arbeitsagentur erlässt Hartz IV-Sonderrichtlinie: Arbeitslose sollen nicht in die Prostitution und Erotikbranche vermittelt werden – obwohl das per Gesetz zulässig ist

Mechthild Garweg hat Recht. Die Hamburger Fachanwältin hatte im Dezember in der taz hamburg Alarm geschlagen, dass nach dem neuen Hartz IV-Gesetz die Vermittlung von Arbeitslosengeld II-BezieherInnen in die Prostitution und den Erotikbereich „rechtlich zulässig“ und der Job „zumutbar“ sei. Offizielle Stellen nannten das zwar „absurd“, dementierten aber nicht. Jetzt hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) „nur für den internen Dienstgebrauch“ eine Richtlinie an die örtlichen BA erlassen. Darin wird die Zulässigkeit der Vermittlung ausdrücklich bejaht.

„Arbeitslose könnten grundsätzlich in den Bereich Prostitution vermittelt werden“, heißt es in der Richtline der BA. Laut Prostitutionsgesetz von 2002 ist der Job nicht mehr „sittenwidrig“. Die BA habe sich „dennoch aus grundsätzlichen Erwägungen dafür entschieden, keine Arbeitsvermittlung in diesen Bereich durchzuführen“, um nicht Prostitution zu fördern.

Die Agentur wolle auch verhindern, dass Arbeitslose „nicht ungewollt“ mit solchen Jobangeboten konfrontiert werden. „Die individuellen Persönlichkeitsrechte werden über eine rechtlich zugelassene Beschäftigungsform gestellt.“ Es stellte sich daher auch „nicht die Frage nach leistungsrechtlichen Konsequenzen wegen Arbeitsablehnungen.“ Die örtlichen BA wurden aufgefordert, entsprechende Jobangebote und -gesuche abzuweisen und aus dem „virtuellen Arbeitsmarktportal“ zu löschen.

Die Hamburger Anwältin Garweg prognostiziert Probleme im „Grauzonenbereich“ beispielsweise bei Jobangeboten als TänzerIn oder KellnerIn. Auch die BA räumt ein, dass in der Praxis eine Abgrenzung von „Prostitution zu vermischten oder angrenzenden Tätigkeiten im Erotikbereich häufig schwierig“ ist. „Soweit kein offensichtlicher oder eindeutiger Bezug zur Prostitution“ bestehe, sollen solche Stellen jedoch intern entgegengenommen werden. Die Stellen würden nur „ausgehändigt, wenn die Kundin/Kunde mit dem ausdrücklichen Wunsch nach einer solchen Stelle auf die BA zukommt“.

Garweg ist vorerst zufrieden. Die Richtlinie habe zwar keine Gesetzesqualität, gebe insoweit aber die Rechtslage vor. „Wenn auch auf der Basis einer Doppelmoral.“ KAI VON APPEN