: Reflektierte Geschichte
Schmutzige elektronische Musik ohne Vorbilder: Die Elektronik-Pioniere Deutsch-Amerikanische Freundschaft geben morgen Abend ihr einziges norddeutsches Clubkonzert im Osnabrücker Rosenhof
VON HARALD KELLER
Robert Görl war dieser Tage schon mal da. Morgen wird er gemeinsam mit seinem langjährigen Weggefährten und Bandkollegen Gabi Delgado-López, mit dem er einst das Avantgarde-Duo Deutsch-Amerikanische Freundschaft (D.A.F.) ins Leben rief, im Osnabrücker Rosenhof auftreten. Gelegenheit, den Musikclub vorweg zu inspizieren, bot sich Görl knapp eine Woche zuvor: als Gast bei der Premiere einer Talkshow-Reihe, die der Osnabrücker Kulturjournalist und DJ Tom Bullmann im Rosenhof etablieren möchte.
Im Mittelpunkt aber stand dort ein anderer Osnabrücker Musikclub: der legendäre Hyde Park, der auf eine wechselvolle, teils turbulente 35-jährige Geschichte zurückblickt – Stoff genug für ein Buch mit dem Titel „Hyde Park-Memories“, das im vergangenen Jahr erschienen ist. 1981, als sich die D.A.F. im dritten Jahr ihres Bestehens auf Görl und Delgado-López reduziert und zugleich konsolidiert hatte, traten die Musiker erstmals im Hyde Park auf. Ein denkwürdiges Konzert, berichten Zeitzeugen: Der elektronische, hämmernde D.A.F.-Sound war neu. Und die Texte – „Tanz den Mussolini“ – und das Erscheinungsbild der Musiker, kurz geschorene Haare und martialische Lederkleidung, wirkten damals äußerst provokant.
Vorbilder gab es nicht, so Schlagzeuger Robert Görl, der auf ein Studium der klassischen Musik und des Jazz zurückblickt, aber ebenso wie Delgado-López nach völlig neuen musikalischen Ausdrucksformen suchte. Insbesondere suchte man Distanz zur damals bestehenden Pop-Elektronik à la Klaus Schulze oder Tangerine Dream: „Wir wollten schmutzige elektronische Musik machen.“ Heute gelten D.A.F. als Vorläufer der Electronic Body Music (EBM) und werden von deren Akteuren als Pioniere verehrt. Aber auch die Techno-Szene erkennt D.A.F. als Vorreiter an, zumal die Musiker auf späteren Alben und ihren Solowerken auch mit Disco, House und eben Techno liebäugelten.
Die D.A.F.-Historie ist gekennzeichnet von Brüchen, Abstechern, Nebenwegen. Man habe sich öfter mal und teils heftig gestritten, berichtet Robert Görl freimütig. Er und Delgado-López haben sich mehrfach getrennt, Projekte mit anderen Musikern verfolgt, fanden sich aber letztlich nach einer gewissen Spanne immer wieder zusammen. Beinahe intuitiv: „Man hat irgendwie Lust, wieder was zusammen zu machen.“ Und dann gehen sie ins Studio und machen einfach.
Was dabei herauskommt, ist D.A.F. und damit gut. Görl, inzwischen Buddhist, sieht sich heute nicht mehr im Zwang, an frühere Werke anknüpfen oder diese gar noch übertrumpfen zu müssen. Ob im Gespräch auf der Bühne oder mit Fans an der Theke, Görl wirkt entspannt, zeigt keine Allüren, hat sie auch nicht nötig.
Das Programm der gegenwärtigen Tournee wird die D.A.F.-Geschichte reflektieren. Alle bekannten Titel werden gespielt, verspricht Görl: „Als wär’s das letzte Mal“, „Kebabträume“, „Verschwende deine Jugend“. Die beiden Musiker haben immer noch oder wieder Lust, sie aufzuführen; die Konzertbesucher wollen sie hören und reagieren voller Leidenschaft, so Görl. Später am Abend darf er sich bestätigt sehen: Als der Diskjockey den „Mussolini“ auflegt, ist die Tanzfläche voll.
■ Osnabrück: Fr, 3. 2., 21 Uhr, Rosenhof, Rosenplatz 23, www.rosenhof-os.de