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Archiv-Artikel

steglitz-zehlendorf Nazis in der BVV

In Steglitz-Zehlendorf hat man ja bekanntlich so seine Probleme im Umgang mit rechten Äußerungen. Der dortige Bezirksbürgermeister Herbert Weber nahm über Monate Äußerungen zu „Auschwitz als Erinnerungsreligion“ ebenso wenig zurück wie Beschimpfungen von Wehrmachts-Deserteuren. Immerzu fühlte er sich falsch verstanden. Dass er von der „angeblichen Tätergeneration“ sprach, die durch „Produkte überwiegend aus den Redaktionsstuben“ verunglimpft werde, fiel im verschwörungstheoretischen Dickicht schon gar nicht mehr auf.

Am Mittwochabend gab es dann doch noch Rückenwind für Freizeithistoriker Weber („Geschichte wird seit den 70er-Jahren nicht mehr so dargestellt, wie es eigentlich gewesen ist, sondern wie es eigentlich gewesen sein müsste“). Gefreut haben wird sich der Bürgermeister jedoch wohl kaum, denn die steife Brise kam von ganz rechts: Als sich Weber am Mittwoch mit einer Entschuldigungsrede vor der Bezirksversammlung vor einem Abwahlantrag retten wollte, bekam er lautstarke Unterstützung von zwei Männern im Publikum. Mit Rufen wie „Bleiben Sie standhaft, Herr Weber!“ wollte der eine den Bezirksbürgermeister am Einknicken vor dem linken Zeitgeist hindern. Der andere Krakeeler fand die Äußerungen seines Sitznachbarn offenbar zu lasch und klärte seine Umgebung auf: „Die Juden sind an allem schuld!“ sowie „Die hatten Recht vor 60 Jahren!“

Der Vorsteher der Bezirksverordnetenversammlung, der CDU-Abgeordnete Klaus Eichstädt, beließ es bei einer Rüge. Dabei hätte Eichstädt als Hausherr das Recht gehabt, den Polizei-Abschnittsleiter aufzufordern, die Pöbler aus dem Saal zu führen. Obwohl der Polizist nur drei Reihen hinter den Krakeelern saß, geschah nichts. Auch nach der BVV-Debatte wollte Eichstädt zunächst keine Strafanzeige stellen. „Niemand hat mir sagen können, wer die Pöbler waren.“ Erstaunlicherweise auch keiner der FDP-Verordneten, obwohl sie nur zwei Meter neben den Pöblern saßen. Und obwohl die selbst ernannten Vertreter eines reinrassigen Großdeutschlands Flugblätter an die Zuschauer verteilt hatten. Darin hieß es unter anderem: „Deutschland ist vernichtet, wenn das deutsche Volk mit Orientalen und Negern durchmischt ist.“ Die großen Parteien in Deutschland hätten seine einst stolzen Bewohner „belogen und betrogen und uns an die jüdisch-amerikanische Besatzungsmacht verraten“. Auf den Zetteln waren zwei Verfassernamen angegeben sowie die Internet-Adresse www.deutsches-kolleg.org. Die taz hat der Bezirksverwaltung Kopien der Flugblätter zur Verfügung gestellt. Jetzt prüft der Bezirksverordnetenvorsteher Klaus Eichstädt, ob er doch noch eine Strafanzeige stellen soll. Gegen unbekannt.  MATTHIAS LOHRE