LESERINNENBRIEFE
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Eiskunstwelt aufgerüttelt

■ betr.: „Erfolg am Existenzminimum“, taz vom 28. 1. 12

Dass die Deutsche Eislauf-Union (DEU) den Trainer Knut Schubert entließ, verwundert umso mehr, wenn man weiß, dass er Eiskunstlaufgeschichte schrieb. Er war der Erste, der thematisches Eiskunstlaufen nicht nur über die Musik, sondern auch durch Technik, Choreografie, intelligente und einfühlsame Recherche auf das Eis brachte – eine Kür gegen Gewalt gegen Frauen. Mit dem Eiskunstläuferpaar Schwarz/Müller rüttelte er die bonbonfarbene Eiskunstwelt auf, die bis dato nur Balztänze zu sehen bekam. Ich konnte ihn damals als Beraterin aus dem Frauenhaus über eine Saison lang begleiten. Sein kraftvolles und geduldiges Engagement für die Sportler war erfolgreich und eindrücklich. Er verabscheute Trainer, die ihre Schützlinge quälten, er hieß Frauenverachtung und Magersucht im Sport nicht gut. Es ehrt ihn, dass er ohne Lohn mit seinen Paarläufern weiter trainiert. Aber ein Trainieren am Existenzminimum haben er und sein Team wahrlich nicht verdient. ANKE LINNEMANN, Berlin

Kein guter Witz

■ betr.: „Siebe zum Schnackseln“, taz vom 1. 2. 12

Auch wenn das Thema „Kondom kaputt“ durchaus eine Steilvorlage für einen guten Witz ist, finde ich hier den Umgang mit dem Thema hinsichtlich der in Südafrika vorliegenden Aids-Problematik sehr unpassend. Fatal ist daran auch, dass der afrikanische Kontinent ohnehin derzeit von Billigimporten aus China überrollt und wirtschaftlich geschwächt wird. SUSANNE LOHSE, Dortmund

Kurz vor dem Kollaps

■ betr.: „Das Wichtigste fehlt“, Eric Bonse über Sanktionen statt Solidarität in Europa, taz vom 1. 2. 12

Das Fatale an Frau Merkels Führungsqualität ist, dass sie uns alle von der Alternativlosigkeit des Sparens im öffentlichen Sektor zu überzeugen vermag. Kurz vor dem absehbaren Kollaps des neoliberalen Systems treibt sie es weiter auf die Spitze: Ein Fiskalpakt hätte auch eine Umverteilung des ja in allen Ländern reichlich vorhandenen Vermögens beinhalten können. Das ist doch das Allerwichtigste, was fehlt! Der Kollaps muss wohl kommen, damit wir alle aufwachen und neu beginnen. Merkel wird sich dann weiter loben können: diesen Kollaps beschleunigt zu haben. SABINE MIEHE, Marburg

Sicherheitsrisiko Geheimdienst

■ betr.: „Die Geheimakte Klaus Barbie“, taz vom 31. 1. 12

Es ist erschreckend, über die Methoden der Geheimdienste zu lesen. Vor allem scheinen diese das „Geheime“ ihrer Missionen zu beherzigen. Das lässt für die zukünftige Arbeit der Ermittler der Untersuchungsausschüsse zur Aufklärung der neonazistischen Mordtaten wenig Gutes erwarten. Wahrscheinlich wird auch da wieder gemauert werden, wenn schon die Freigabe von abgeschlossenen Akten aus „Sicherheitsgründen“ verweigert wird. Es erweckt den Eindruck, dass die Dienste selbst ein Sicherheitsrisiko darstellen.

HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Alle müssen zahlen

■ betr.: „Die Politik entdeckt sich selbst“, taz vom 31. 1. 12

Endlich kommt auf den Tisch, was ohnehin seit Langem an die Öffentlichkeit gehört. Die Mär von globalen Finanzmärkten und Globalisierung ist, auf gut Saarländisch: Fuppes. Nationale Regelungen dagegen sind möglich. Schon 2008 nach der sogenannten Lehman-Krise haben Nationalstaaten den Arsch des Finanzkapitals gerettet: nämlich die USA, England, Schweiz, Deutschland, Frankreich u. a. ihre jeweiligen Banken. Der Spruch, dass das Kapital flüchtig sei und an Orte ausweiche, an denen es nicht reguliert werde, ist daher grober Unfug. Jede Bank und jede Versicherung haben eine nationale Verortung, ohne die sie gar nicht funktionieren könnten. Legt man in einer gesetzlichen Reglung folglich das Ansässigkeitsprinzip zugrunde, müssen alle zahlen, auch wenn sie die Finanzgeschäfte über London oder sonst wo betreiben. Das hat Cameron verstanden, als er in Davos Überlegungen zur Transaktionssteuer als „Wahnsinn“ bezeichnete. Da Großbritannien aus Gründen des Selbstschutzes der „Londoner City“ bei einer solchen Besteuerung des Finanzmarktes erklärtermaßen nicht mitmacht, müsste es sich eigentlich über die Aufwertung seines Standortes freuen. Im Übrigen gilt: Globalisierung und Freiheit des Kapitals sind keine Naturtatbestände, sondern von nationalen Politiken in einem international einmaligen Zusammenspiel über 40 Jahre durch Entregelung geschaffen worden. Nichts spricht dagegen, dass die Politik mit der Entäußerung ihrer selbst bricht und damit wieder das Heft des Handelns in die Hand nimmt. HANS GÜNTER GREWER, Saarbrücken

Betroffene wehren sich nicht

■ betr.: „Doktorarbeit erst nach Feierabend“, taz vom 1. 2. 12

Mit großer Sorge beobachte auch ich die zunehmende Zahl prekärer Beschäftigungsverhältnisse an unseren Hochschulen, Schulen und Akademien. Sie sind letztlich Ausdruck dafür, welchen Stellenwert wir der Bildung einräumen, nämlich gar keinen. Wir sind auf dem besten Weg, ein „akademisches Proletariat“ zu etablieren. Was mir auffällt, ist, dass die betroffenen Leute das alles so hinnehmen, sich kaum wehren! CHRISTIAN LUKNER, Bonn