: Broschüre für den Busen
Immer mehr Jugendliche legen sich unters Messer. Gesundheitsministerin Schmidt will diesen Trend stoppen
Sie streitet wacker gegen all das Saugen und Straffen. Will Teenager abbringen vom Wahn, der Körper lasse sich zurecht schneiden wie eine neue Bluse. Mit einem dünnen Broschürchen kämpft Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt nun gegen den Megatrend Körperdesign.
„Denk-Anstöße“, in dieser Reihe läuft das neue Heftchen „Spieglein, Spieglein an der Wand“. Franka Potente erzählt, warum sie auch ohne große Brüste erfolgreich ist. Ärzte liefern ein Horrorszenario missglückter Operationen. Sie berichten von verrutschem Silikon und lebensgefährlichen Gerinseln in der Lunge – und von jenen 20 Deutschen, die durch Fettabsaugen starben. Auch Kardinal Karl Lehmann mahnt: Die Tortur unterm Messer, das sei kein Gang zum Friseur. Kinder, wahrt eure Menschenwürde.
Das Ansinnen ist redlich, doch der Gegner übermächtig. Da wären: Eltern, die der Tochter zum Abi nicht eine Fernreise schenken, sondern die Busen-OP. Models, die heute im Schnitt ein Drittel weniger auf die Waage bringen als die Normalofrau. Der Irrtum, das bisschen Schnippeln und Brüste polstern sei risikofrei – so glaubt es jeder sechste deutsche Mann. Und der Wahn, die Löcher im Teenagerselbstbewusstsein schlössen sich wie von selbst, ist nur die Nase gerichtet und der Bauch waschbrettgleich.
Der Trend ist mächtig, sein Anschwellen ungebremst. 700.000 Deutsche pro Jahr legen sich derzeit unter die Messer der plastischen Chirurgen – sechsmal mehr als in den frühen Neunzigern. Gerade unter den Teenies boomt der Hang zu Silikon und Gesäßpolstern: Jeder zehnte der Operierten ist nicht einmal zwanzig Jahre alt.
Zu Recht also fokussiert Schmidt jetzt die OP-Zielgruppe Jugend. Das neue Heftchen ist da nur ein Teil der Strategie. Schmidt will zudem das Vorher-Nachher-Foto verbieten. Das Gesetz wird derzeit beraten, noch vor der Sommerpause soll es durch den Bundestag. Außerdem tüftelt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit Schmidt Segen an einer Offensive für die Schulhöfe – gegen den Drang der Kids zur herbeioperierten Straffheit.
Doch so redlich sich die Ministerin müht, ihr Vielfrontenkampf wird wohl vergeblich bleiben. Er wird scheitern am Gruppendruck in den Klassenzimmern. An Teenagern, die sich so fremd fühlen in ihrem Körper, ihrer Klasse, ihrem Leben, dass sie sich in den Wahn verrennen: Ist mein Po erst prall, dann klappt’s auch mit der Clique.
COSIMA SCHMITT