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Archiv-Artikel

Man wäre sogar für einen Bildausfall dankbar

Der Untersuchungsausschuss taugt nicht zum Drama, und die Akteure sind schlechte Schauspieler. Das umstrittene Visa-TV ist ein Reinfall

Die Sendezeit ist nicht optimal. Neun Uhr, das ist viel zu früh. Da will man noch nicht fernsehen, und wenn doch, dann lieber „Dallas“ auf Kabel 1. Dort gibt es ebenfalls altbekannte Bösewichte zu sehen.

Gestern, Visa-TV, Folge 1, live auf Phoenix, n-tv, N24 und XXP. Erster Eindruck: eine müde Show. Das dauert! Bis das erst mal losgeht. Der Showmaster: eine Enttäuschung. Von Hans-Peter Uhl (CSU) hätte man sich mehr erwartet. Ist er doch bekannt und beliebt als Hardliner und Mehmet-Chefausweiser. Hier sollten Ideologien aufeinander prallen! Uhl gegen Ludger Volmer, der Schwarze gegen den Grünen. Und jetzt murmelt Uhl undeutlich vor sich hin, wirkt seltsam zurückgenommen. Er müsste doch laut werden, mahnen, strafen, mit fester Hand und fester Stimme Beweise präsentieren – aber nichts dergleichen.

Auch die Bildregie des Bundestags lässt keinerlei Spannung zu. Starr bleibt die Kamera auf den befragten Volmer gerichtet, die zweite ebenso starr auf den Fragenden. Ein dröges Wechselspiel, viel zu selten unterbrochen von langsamen Kameraschwenks über die restlichen Ausschussmitglieder.

Neben Eckart von Klaeden (CDU), den man sich auch als Darsteller einer öffentlich-rechtlichen Vorabendserie über das ausgeflippte Leben in einer Burschenschaft vorstellen könnte, sitzt Michaela Noll (CDU), eine langhaarige Brünette, die als Einzige so etwas wie Glamour in diese Veranstaltung bringen könnte. Doch die Schöne bleibt stumm, die Kamera schwenkt weiter. Jerzy Montag von den Grünen kratzt sich wiederholt an der Nase. Dann wieder Volmer.

„Lassen Sie mich zum Abschluss Folgendes sagen“, sagt Volmer, und dann hebt er wie in Zeitlupe den Daumen der linken Hand und macht eine Pause von drei Sekunden. Die Zeit wird zäh.

Dann endlich: der erste Lacher! Nach drei Stunden und vier Minuten. „Das freut mich“, sagt Volmer, als Uhl ihm treuherzig versichert, alle Fraktionen im Bundestag hätten nichts gegen erleichterte Einreisebestimmungen aus Gründen der Wirtschafts-, Wissenschafts- oder Familienbeziehungen.

Zugegeben, das klingt jetzt nicht so lustig, das kommt jetzt nicht so richtig rüber, es ist nur eine Sekunde Situationskomik. Und nach drei Stunden und vier Minuten ist man als Zuschauer sehr dankbar selbst für so etwas, eigentlich wäre man dankbar für alles. Einen Bildausfall beispielsweise. Oder einen plötzlichen Zusammenbruch Volmers. Volmer unter Tränen: „Ja, die Visa waren böse, ich bin schuld, ich liebe euch doch alle“, das wäre was, das wäre große TV-Unterhaltung.

Nach der Mittagspause die zweite Fragerunde. Es kommt überraschend doch noch Bewegung in die Runde: Volker Kauder (CDU) wirft mit scharfer Stimme dem Grünen Jerzy Montag einen „klaren Fall von Zeugenbeistand“ vor. Montag kratzt sich die Nase. Hat er eine Allergie? Das einsame Highlight der zweiten Halbzeit.

Hinter Olaf Scholz (SPD) sitzt eine dunkelhaarige Frau mit rotem Oberteil und grimassiert. Sie scheint sich zu langweilen.

STEFAN KUZMANY