: Kannibale war Mörder
BGH hebt Kannibalen-Urteil auf. Schuldspruch wegen Totschlags zu milde – auch weil Tat die Totenruhe störte
KARLSRUHE taz ■ Der so genannte Kannibale von Rotenburg muss härter bestraft werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) geht davon aus, dass Armin Meiwes einen Mord und nicht nur einen Totschlag begangen hat, und ordnete deshalb gestern an, den Fall neu zu verhandeln. Meiwes muss nun mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe rechnen.
Im März 2001 hatte der damals 39-jährige Computertechniker Meiwes den 43-jährigen Diplomingenieur Klaus Jürgen B. getötet, anschließend ausgeweidet und das Fleisch teilweise verspeist. Der masochistisch veranlagte B. war mit der Tat einverstanden. Ihm kam es darauf an, dass ihm Meiwes zuvor mit einem Messer den Penis abschnitt.
Das Kasseler Landgericht wertete die Tat als Totschlag und verurteilte Meiwes im Januar 2004 zu achteinhalb Jahren Haft. Die Staatsanwaltschat ging in die Revision, weil ihr das Urteil zu milde erschien. Sie forderte eine lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes. Dieser Einschätzung schloss sich der BGH an – und hob das Kasseler Urteil auf.
Eine Tötung gilt strafrechtlich als Mord, wenn der Tod eines anderen Menschen nicht nur mit Absicht herbeigeführt wird, sondern auch noch ein „Mordmerkmal“ hinzukommt. Im Fall Meiwes ging es zunächst darum, ob dieser „zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs“ getötet hatte. Der BGH hielt dies für nahe liegend, weil der Rotenburger von der Tat ein Video anfertigte, das er später anschaute, um sich sexuell zu stimulieren.
Auch ein zweites Mordmerkmal, das „Ermöglichen einer anderen Straftat“, hielt die Vorsitzende Richterin Ruth Rissing-van Saan für gegeben: Sie wertete das Ausweiden der Leiche und das Verspeisen von Menschenfleisch als strafbare „Störung der Totenruhe“. Laut Strafgesetzbuch ist es dafür zwar erforderlich, dass der Täter „beschimpfenden Unfug“ mit der Leiche betrieben hat. Dabei komme es aber weniger auf die Werte des Getöteten, sondern vor allem auf das „Pietätsgefühl der Allgemeinheit“ an, so Rissing-van Saan.
Die Revision von Verteidiger Harald Ermel wurde dagegen zurückgewiesen. Ermel wollte eine mildere Verurteilung wegen „Tötung auf Verlangen“ erreichen. Richterin Rissing-van Saan lehnte dies aber ab, denn Meiwes habe ein eigenes Tötungsmotiv gehabt.
Der Fall muss nun vor dem Landgericht in Frankfurt am Main noch einmal ganz von vorne aufgerollt werden.
CHRISTIAN RATH