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Archiv-Artikel

Eine deutsche Karriere

GESCHICHTE Dem Namen Stauffenberg ist Aufmerksamkeit sicher: Das Bürgerhaus Kladower Forum erinnert an die Testpilotin und Rüstungsingenieurin Melitta von Stauffenberg

Ob Melitta in die Attentatspläne eingeweiht gewesen war, gilt als nicht gesichert

Dass das Verhältnis der Militärs vom 20. Juli 1944 zu den Nationalsozialisten ambivalent gewesen ist, ist nicht neu. Im Fall von Melitta Schiller aber ist es besonders kompliziert. Die Ingenieurin und Sturzbomber-Testpilotin, ab 1937 mit dem Historiker und Bruder des Hitler-Attentäters Alexander von Stauffenberg verheiratet, war zwar kein Anhänger der Nazis. Sie hatte zudem einen jüdischen Hintergrund. Zivilcourage aber kann man ihr lange kaum attestieren.

In der Rüstungsindustrie machte sich diese schwer einzuordnende Frau schnell unentbehrlich, bekam verschiedene Orden und eine Leitungsfunktion. Während ihr Mann nach Scheitern des Attentats in sogenannter Sippenhaft gefangen gehalten wurde, kam sie wegen ihrer Kriegswichtigkeit nach sechs Wochen wieder frei und arbeitete in der Rüstung weiter – um die Haftbedingungen ihrer Angehörigen zu verbessern.

„Eine Frau, bei der es kein Schwarzweiß, sondern immer noch ein ‚Ja, aber‘ gibt“, so beschreibt die Buchlektorin Anne C. Voorhoeve Melitta von Stauffenberg, an die sie jetzt gemeinsam mit dem Biografen Gerhard Bracke in Kladow in einer Ausstellung erinnert. Vom nahegelegenen Luftwaffenstützpunkt in Gatow war die Testpilotin ihrerzeit gestartet. Voorhoeve war bei Recherchen für ihr Jugendbuch „Einundzwanzigster Juli“ auf sie aufmerksam geworden. Bracke, der als Autor auf auffällig technikaffine Bücher zum Luft- und Seekrieg spezialisiert ist, hatte bereits 1990 die Biografie „Melitta Gräfin Stauffenberg – Das Leben einer Fliegerin“ herausgebracht, aus der seine Begeisterung für das technische Geschick Melittas, ihren fliegerischen Wagemut und auch Brackes eigenes rechtslastiges Geschichtsbild sprechen. Mittlerweile verfügt Bracke über den Nachlass Melitta von Stauffenbergs, aus dem einzelne Stücke in Kladow erstmals öffentlich zu sehen sind. An ihm ist kein Vorbeikommen, will man mehr über sie wissen.

Melitta als Kleinkind mit der Mutter, Melitta mit ihren Geschwistern im Faschingskostüm, Melitta als Physikstudentin in München, in Abendrobe und 1938 in England als, wie es hieß, „Botschafterin internationaler Fliegersolidarität“: Anhand von Kommentaren, Zitaten und Fotos führen rund zwei Dutzend Tafeln chronologisch durch ihr Leben. Positiv fällt dabei auf, dass Voorhoeve bei der Textauswahl von Bracke zwar die Fakten übernimmt, nicht aber seine Wertung; wenn von Melittas Abneigung gegen die Nazis und ihrem davon offenbar unberührten Pflichtgefühl der „Truppe“ und der „Schicksalsgemeinschaft aller Deutschen“ gegenüber die Rede ist, wird diese konservative Haltung nicht affirmiert. Vielmehr bemüht sich die Ausstellung um eine differenzierte Darstellung.

Teil der Verschwörung?

Den größten Raum in dieser kleinen Ausstellung nimmt erwartungsgemäß der Zeitraum um den 20. Juli 1944 ein. Wie im Buch wird auch hier Brackes These vertreten, Melitta sei von ihrem Schwager Claus in die Attentatspläne nicht nur eingeweiht gewesen, sondern habe ihn auch als Pilotin begleiten sollen. Die These stützt sich auf die Aussagen ihres Kollegen Paul von Handel und Tagebucheinträge von Melitta selbst, in denen sie im Juni 1944 Nachtflüge mit einem „Fieseler Storch“ festhält. Die können als Beleg für von Handels Version gelesen werden, er habe Melitta wegen der geringen Reichweite und Langsamkeit dieses Flugzeugs davon abgebracht. Wegen nur einer Quelle gilt das aber nicht als gesichert.

Welchen Gefahren Mitverschwörer und Angehörige jedoch unzweifelhaft ausgesetzt waren, darauf werfen weitere Zitate aus den zwei erhaltenen, in einer Vitrine ausgestellten Tagebüchern ein Schlaglicht. „Abends endlich zur Vernehmung abgeholt“, notierte Melitta dort am 27. Juli 1944. „Lange warten müssen. Zwei Marineleute vor mir. Einer gefesselt! B(erthold von Stauffenberg) soll verwickelt sein.“ Ihr Schwager Berthold wurde nach einem Schauprozess wie die meisten Mitverschwörer hingerichtet. Ihren Mann Alexander verschleppten die Nazis in den folgenden Monaten in die Konzentrationslager Stutthof, Buchenwald und Schönberg. Als Melitta von Stauffenberg ihn dort am 8. April 1945 mit ihrem Flugzeug besuchen wollte, wurde sie von einem amerikanischen Jagdflieger abgeschossen und starb an ihren Verletzungen.

ROBERT SCHRÖPFER

Bürgerhaus Kladower Forum, Kladower Damm 387, Mi 17–20, Sa–So 14–18 Uhr, bis 6. September