Klang des Dokuments

MONO-OPER Das Moks zeigt das Musikdrama „Das Tagebuch der Anne Frank“ von Grigori Frid

Es ist eine Mini-Oper, aber eine große Partie: Eine Stunde dauert Grigori Frids „Tagebuch der Anne Frank“ von 1969. Auch wenn sie erst jetzt ihre Bremer Erstaufführung hatte, das ist die meistinszenierte Oper eines lebenden Komponisten. Eingängig ist Frids Schostakowitsch-Sound, schroff indes verzichtet er als Librettist auf spielbare Szenen: Stattdessen hört er ganz auf die Dramatik des Dokuments.

Dessen zutiefst dissonante Konstellation – ein junges Mädchen gegenüber Welt-Krieg und Menschheitsverbrechen – spiegelt er im Grunde auch in der konditionellen Zumutung, dass er einer jungen Sopranistin ein einstündiges Solo abverlangt, begleitet nur von kleinem Ensemble, oder noch konsequenter, nur von Klavier. Für eine puristische Fassung mit Kristina Ruge als souveräner Pianistin und in einer kargen Kartonagen-Ausstattung von Nele Wangorsch hat sich auch Regisseur Patric Seibert am Moks entschieden. Und dann doch auch wieder nicht. Denn hier dauert das Stück fast 20 Minuten länger. Das liegt daran, dass Seibert noch eine zweite Anne hinzugefügt hat, als Sprechrolle, mit zusätzlichem Text. Sinnvoll, wenn auch keinesfalls notwendig: Sängerin Marysol Schalit macht nie den Eindruck, als hätte sie dieser Entlastung bedurft. Feinfühlig scheint ihre Stimme alle Stimmungen des im Hinterhaus eingesperrten Mädchens zu erfassen. Mit einer Leichtigkeit, als wär’s gar nichts verleihen ihre Koloraturen den Tagebucheinträgen eine erstaunliche Griffigkeit, eine überraschende Direktheit. Und: Sie artikuliert super.

Seibert bricht mit Frids Reduktionismus, wo der zur Bereinigung wird, wo er, echt sowjetisch, Anne nur als Ikone auf der Bühne singen und gelten lässt: Die in der Musik noch erkennbaren, im Libretto weggeschnittenen prosaischen Passagen, das Alltägliche, das Komisch-Kindische und ihre Verzweiflungen lässt Seibert von Hannah Ehrlichmann burschikos auf die Bühne turnen, und bringt Pianistin, Sängerin und Sprecherin als Hinterhaus-Notgemeinschaft beim Kartoffelschälen zusammen. Haarscharf laviert das auf der Schwelle zu Slapstick-Spaß und purer Kulinarik. Doch weil’s nicht abschmiert, bleibt es große Kunst. BES

Nächste Aufführungen: 14. 2., 19 Uhr, 28. 2., 11 Uhr