: „Grübel, grübel, flatter, flatter und würg, würg“
Über Absurdes, Subversives und die Lautmalerei, die sich längst in der Alltagssprache eingebürgert hat – zum Erstaunen von Erika Fuchs
taz: Frau Fuchs, die deutsche Sprache ist von Ihren Übersetzungen mitgeprägt. Was blieb am meisten hängen?
Erika Fuchs: Ich glaube, es waren die Lautmalereien. Was in einem Prosatext lang und breit geheißen hätte: „Verzweifelt ging er im Zimmer im Kreise und überlegte sich, was zu tun sei“, das machte ich neben der Zeichnung von Dagobert mit zwei Worten: „Grübel, grübel“. So was wie „Flatter, flatter“ – „Würg, würg“ ist, zu meinem großen Erstaunen übrigens, in die Alltagssprache eingegangen. Mir ist sogar glaubhaft versichert worden, dass ein Landtagsabgeordneter aus dem Plenarsaal ging und „zeter, zeter, ächz, ächz“ sagte. Der hatte sich eben mit guter Lektüre beschäftigt.
Viele Ihrer Reime wurden berühmt. Den bekanntesten – von Daniel Düsentrieb: „Dem Ingeniör ist nichts zu schwör“ – haben Sie von Ihrem Mann, einem Ingenieur?
Das ist eine Legende. Mein Mann war Ingenieur, aber mit dem Spruch habe ich ihn immer aufgezogen, noch bevor ich übersetzte. Ein Ingenieur im Haus ist wirklich sehr angenehm.
Würden Sie eigentlich heute, nach Carl Barks, auch noch so viel Spaß an den Übersetzungen haben? Der Charakter der Figuren ist doch nicht mehr so wie früher.
Das würde ich wohl nicht mehr machen. Ich übersetze aber noch bislang unveröffentlichte alte Barks-Geschichten. Die neuen Geschichten sind auch textlich nicht mehr so originell. Barks hatte ja über 500 Folgen gezeichnet, Abenteuer, Märchen, Dinge aus dem realen Leben, ins Absurde gesteigert. Alles das gibt es eigentlich nicht mehr in dem Stil.
Was fehlt heutigen Geschichten?
Ich kann das nicht so genau sagen. Weil mir das Sehen schwer fällt, lese ich nie ganze Geschichten. Es kommt mir alles nur flotter und moderner vor.
Nicht mehr so absurd?
Das Absurde fehlt ja den Deutschen sowieso. Engländer und Amerikaner sind damit viel vertrauter. Das merken Sie auch in den Kinderbüchern, die sind viel hintersinniger, können auch mit der Aufhebung sämtlicher Naturgesetze arbeiten. Eine Figur wie Dagobert, der in seine Goldstücke springt, wie ein Seehund darin herumwühlt und es sich auf den Kopf prasseln lässt – wissen Sie, das ist ja alles nicht möglich. Sich so etwas auszudenken ist sehr interessant, aber so läuft das heute nicht mehr. Höchstens als Sciencefiction, aber das ist etwas völlig anderes.
An welche Geschichte erinnern Sie sich am liebsten?
Sehr schön finde ich den „Goldenen Helm“. Da wird gezeigt, dass jeder, der Macht hat, auch verrückt wird. Wer da immer den goldenen Helm hat, darf Kaiser von Amerika werden und wird prompt verrückt. Einmal bekommt ihn ein Kunsthistorikprofessor. Er will sofort verordnen, dass alle Bürger zweimal in der Woche ins Museum gehen. Das ist doch urkomisch. Bei so etwas habe ich mir immer eingebildet: Wenn man die Macht so veräppelt, wird keiner mehr darauf hereinfallen.
Im Original von Barks hieß es einmal „Ich wohne an der nächsten Ecke“. Ihre Übersetzung „Ich wohne in der Ruffinistraße“. Wie kommt diese Münchner Straße in den Text?
In der Straße wohnt einer meiner Söhne. Mich bitten oft Leute, dass ihr Name im Text vorkommt. Ich gehe da öfter drauf ein, das ist so ein geheimer Spaß von mir.
Alliterative Namen wie Donald Duck, Gustav Gans oder Micky Maus haben die beste Chance?
Ich würde es so sagen: Wenn ein nicht alliterativer Name vorkommt, war dies meist einer meiner Bekannten. Sonst habe ich fast nur Vor- und Nachnamen erfunden, die mit denselben Buchstaben anfingen. Das ging ins Ohr.
Wie haben Sie den speziellen Duktus der Figuren entwickelt?
Da Donald nun sehr viel Unglück und ein lädiertes Selbstgefühl hat, lasse ich ihn etwas hochgestochen reden, manchmal auch poetisch. Das kam an. In seinem Anspruch, aber auch im Scheitern erkannte sich eben jeder wieder. Allerdings waren die Donald-Texte auch für Erwachsene gedacht, wobei es egal ist, wenn die Kinder nicht alles verstehen. Die lesen die Geschichten, weil sie eben spannend sind. Alliterationen verstehen Kinder auch. Sie merken, dass Sprache ganz amüsant sein kann. Wenn zum Beispiel eine Figur sagt: „Du trommelst einen Trupp der Kreuzstich-Klubs zusammen, ich komme dann mit einem Geschwader der Freundinnen feiner Filetarbeiten angeflitzt“, ist das vollkommen künstlich, so redet kein Mensch. Aber das amüsiert Erwachsene und Kinder.
INTERVIEW: WILLY WEBER
Dieses letzte taz-Interview mit Erika Fuchs erschien erstmals am 9. 6. 1994 zum 60. Geburtstag von Donald Duck