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Archiv-Artikel

Von wegen Kapitalismuskritik

betr.: „Auch Unternehmer fordern und fördern“, taz vom 22. 4. 05

In einem Punkt hat Markus Kurth (grüner Sozialpolitiker) recht: Es gibt – zumindest in der Öffentlichkeit – seit Jahren keine seriöse Diskussion mehr über die Macht der Konzerne bzw. das kapitalistische Gesellschaftssystem, durch das diese Macht gestützt wird.

Mag sein, dass Müntefering und die SPD dieses Thema nun aus wahltaktischen Gründen auf die Tagesordnung gesetzt haben, und ganz sicher werden Reden und Handeln bei der SPD weiterhin auseinander fallen. Aus diesem Grunde bin ich einmal vor langer Zeit von der SPD zu den Grünen gewechselt, die damals noch als Alternative zu den Altparteien aufgetreten sind und auch soziale Belange vehement vertreten haben.

Zwar waren die Grünen nie eine Arbeiter- oder gar sozialistische Partei, aber inzwischen ist es nur noch peinlich, wie arbeitgeberfreundlich die Grünen geworden sind. Mit dem Schlagwort der Generationengerechtigkeit wurden immer neue Belastungen für Arbeitnehmer, Kranke, Rentner, Arbeitslose, Sozialhilfebedürftige usw. einerseits und Entlastungen für Unternehmen und Vermögende beschlossen und gerechtfertigt. Von sozialem Ausgleich keine Spur! Es wäre schön, wenn der Wahlkämpfer Müntefering mit seinen Äußerungen den Startschuss für die überfällige Diskussion über die „Macht und Herrschaft in der BRD“ abgegeben hätte – und ganz gespannt warte ich auf den seriösen Beitrag der Grünen zu diesem Thema! HEINZ-DIETER SIMON, Menden

betr.: „Links schlägt Funken. Attac hat Geburtstag und die SPD bringt Geschenke: Der Antikapitalismus hat die Mitte erreicht“, taz vom 23. 4. 05

Die SPD traut sich nicht, dem Kapital auch nur auf den kleinen Zeh zu treten. In ihrem Staatsfanatismus ist sie schrankenlos kapitalfreundlich; das impliziert auch Schröders Imperativ bezüglich der Senkung der Arbeitslosenzahlen. Die Probleme, die das Gewaltmonopol jetzt als funktionierender Klassenstaat durch diese Politik hat, veranlassen nun zu dieser heuchlerischen Kapitalkritik (von wegen: Kapitalismuskritik!). Und wenn Attac damit nun sich selber auf dem Erfolgsweg sieht, dann macht es deutlich, dass seine eigenen Minimalforderungen, die „Auswüchse“ des Systems zu bekämpfen, gar nicht niedrig genug liegen können. Davon, dass diese „Auswüchse“ Kosten des Systems und als solche notwendig sind, wollte dieser prokapitalistische Idealistenverein eh noch nie etwas wissen. Also von wegen ein „Iskra“ in Sachen Bewusstwerdung in irgendeiner Hinsicht. WOLFGANG RICHTER, Augsburg

betr.: „Kapitalismuskritik soll konkretisiert werden“, taz vom 25. 4. 05

Was Müntefering und andere SPD-Strategen derzeit in die Medien lancieren, ist keine Kapitalismuskritik, sondern eine Kapitalistenkritik. Die naive Unterscheidung zwischen guten, weil sozial verantwortlichen, und bösen, weil Arbeitnehmer entlassenden und im Ausland investierenden Unternehmern ist in ihrer Theorielosigkeit kaum zu überbieten und hat mit dem armen Marx, der von den Medien in diesem Zusammenhang bemüht wird, wirklich nichts zu tun. Will man vielleicht in der Konsequenz so weit gehen, auch ausländische Unternehmen zu kritisieren, die in Deutschland investieren?

Die kritisierte Raubtiermentalität kennzeichnet den Kapitalismus als System, nicht einzelne Unternehmen oder Manager, und es ist absurd, von diesen nun soziale Verantwortung einzufordern, nachdem Regierung und Koalition durch ihre „Reformen“ erst die staatlichen Hemmnisse beseitigt haben, durch die der Rheinische Kapitalismus als „Soziale Marktwirtschaft“ noch die zügellose Entfaltung des freien Konkurrenzkapitalismus eingedämmt hatte. Wenn SPD und Regierung das Raubtier Kapitalismus ein wenig sanfter wünschen, müssen sie ihm durch staatliches Handeln die Krallen und Zähne schleifen. HEINRICH EBBERS, Bremen

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