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Archiv-Artikel

Supersoziale Sozialisten

Die PDS setzt auf ihrem Landesparteitag auf ihr Konzept der „sozialen Stadt“: Benachteiligte Bezirke sollen gefördert und mehr Bürgerentscheide eingeführt werden. Zustimmung Berlins zur EU-Verfassung im Bundesrat ungefährdet

Die PDS will sich im Blick auf die Abgeordnetenhauswahl 2006 als Partei des sozialen Ausgleichs profilieren. Auf ihrem Landesparteitag am Samstag verabschiedeten die rund 200 Delegierten „Strategien für eine soziale und solidarische Stadtgesellschaft“. Doch was hinter diesem Konzept steckt, ist selbst vielen Genossen bei ihrem Treffen im Energieforum am Ostbahnhof nicht klar geworden.

Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner gab zunächst die Richtung vor: „Eine gesamtstädtische Strategie für Berlin muss der sozialen Spaltung zwischen den Stadtteilen gegensteuern, muss ausgleichend wirken und gleichzeitig die Identität der Kieze bewahren.“ Dafür wollen die Regierungssozialisten Gelder für sozial benachteiligte Bezirke bereitstellen. Die verschiedenen Senats- und Bezirksverwaltungen sollen dafür besser zusammenarbeiten.

Das 1999 von der SPD eingeführte Quartiersmanagement will die PDS in ihr Konzept integrieren. Mit seiner zeitlichen Befristung und räumlichen Begrenzung auf 20 Berliner Quartiere greift es vielen PDSlern zu kurz. „Die SPD hat zu sehr auf einen Feuerwehreinsatz gesetzt“, sagte der Landesvorsitzende Stefan Liebich. Die PDS strebe dagegen eine nachhaltige Umgestaltung durch ein flächendeckendes Stadtteilmanagement in allen Bezirken. Analog dazu soll der öffentliche Gesundheitsdienst vor Ort verbessert werden. Mehr Bürgerentscheide und Bürgerbegehren sollen mehr direkte Demokratie schaffen. Auch auf Landesebene will die PDS die Bürgermitbestimmung in der Verfassung so stärken, dass lediglich den Haushalt betreffende Entscheidungen ausgenommen sind.

Doch wie das alles genau aussehen soll und wie das chronisch arme Land die zusätzlichen Leistungen aus dem ressortübergreifenden Fonds „Soziale Stadt“ bezahlen will, blieb unklar. Stellvertretend für viele sagte ein Delegierter in Anlehnung an Loriot: „Irgendwie fehlte mir noch die konkrete Beinhaltung.“ Die Sozialisten stecken weithin in dem Dilemma, Regierung und Opposition zugleich sein zu wollen – etwa wenn die Berliner PDS Hartz IV ablehnt, sie in der Koalition aber mit umsetzt. Auf dieses Dilemma hat die Partei am Samstag die in vielen Parteien bewährte Antwort gefunden, die lautet: Ja, aber.

Ja, viele soziale Einrichtungen seien aufgrund der extremen Haushaltsnotlage bedroht, räumte Knake-Werner ein. Aber „das meiste konnte in den vergangenen Jahren nur deshalb verteidigt werden, weil die PDS darum gekämpft hat“. Ja, Landespolitik allein könne den bundesweiten Trend zu weiterer Verarmung der Arbeitslosen, zu „staatlicher Reichtumspflege“ und einer „neuen Klassenmedizin durch die Gesundheitsreform“ nicht umkehren, sagte die Sozialsenatorin. Aber die PDS dürfe sich deswegen nicht in die Opposition zurückziehen.

Ja, ein Parteitagsbeschluss der Bundes-PDS aus dem vergangenen Jahr sieht die Ablehnung des EU-Verfassungsentwurfs vor. Aber, sagte Wirtschaftssenator Harald Wolf, weil es der PDS nicht gelungen sei, eine breite gesellschaftliche Bewegung gegen die Verfassung zu initiieren, dürfe man das Stimmverhalten Berlins im Bundesrat nicht zur Ersatzhandlung umfunktionieren. Der Parteitag nahm mit drei Stimmen Vorsprung einen Antrag an, der es den PDS-Senatoren erlaubt, sich bei der Abstimmung zum EU-Verfassungsentwurf zu enthalten. Das Ja Berlins im Bundesrat bliebe dann ungefährdet. MATTHIAS LOHRE