„Teilweise frei“

Heute ist Internationaler Tag der Pressefreiheit. Besonders in Osteuropa gibt es wenig zu feiern – nur die Ukraine ist einsamer Lichtblick

VON BARBARA OERTEL

„Weltweit haben immer weniger Menschen einen unzensierten und ungefilterten Zugang zu Informationen über ihr Land“, sagt Jennifer Windsor von „Freedom House“. „Am erschreckendsten ist, dass die Lage sich in Demokratien verschlechtert, wo eine freie Presse ein unabdingbarer Bestandteil eines dynamischen demokratischen Lebens ist.“

Pünktlich zum heutigen Internationalen Tag der Pressefreiheit hat die US-Nichtregierungsorganisation ihre jährliche Studie „Pressefreiheit 2005: Eine globale Betrachtung der Unabhängigkeit der Medien“ vorgelegt. Mediengesetzgebung, politische Einflussnahme auf die Berichterstattung und Zugang zu Informationen sowie wirtschaftlicher Druck auf den Inhalt und Verbreitung von Nachrichten sind die Kategorien, auf deren Grundlage 193 Länder als „frei“, „teilweise frei“ und „unfrei“ klassifiziert werden.

Doch trotz des weltweit negativen Trends gibt es auch Gegenbeispiele. So gehört die Ukraine zu den wenigen Ländern, die sich vom Dauerabo „unfrei“ verabschiedet und in die Kategorie „teilweise frei“ vorgearbeitet haben. Im Herbst 2004 hatten sich hunderttausende Demonstranten eine Wiederholung der Präsidentenstichwahl und damit einen Machtwechsel erkämpft. Heute, 100 Tage nach dem Amtsantritt von Präsident Wiktor Juschtschenko, zieht Juri Durkot, Journalist aus Lwiw, eine positive Bilanz. So seien Zensur und die Temniki – die berüchtigten Vorgaben für die Berichterstattung aus der Präsidialverwaltung – verschwunden. Journalisten würden nicht mehr bedroht.

„Die Presse ist freier geworden, aber sie ist nicht über den Berg. Auch in nächster Zeit wird es noch Versuche von privaten Investoren oder von staatlicher Seite geben, die Medien wieder unter Kontrolle zu bekommen“, sagt Durkot. Ein entscheidender Schritt ist für ihn die Etablierung eines öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Doch wann es so weit ist, ist nicht absehbar.

Im Gegensatz zur Ukraine und Georgien, das seit der Rosenrevolution 2003 ebenfalls in der Liga „teilweise frei“ spielt, sieht es in allen anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion düster aus. Dank des Einsatzes von Präsident Putin im Sinne einer Gleichschaltung der wichtigsten elektronischen Medien behauptet sich Russland seit 2003 stabil in der Kategorie „unfrei“. Eine der letzten unabhängigen Zeitungen, die Nowaja Gaseta, ist wegen Finanzschwierigkeiten von der Schließung bedroht. Derzeit bekommt die Hälfte ihrer 156 Journalisten kein Gehalt.

Doch die kann man auch anders kaltstellen. Im April richtete „Reporter ohne Grenzen“ einen Brief an US-Außenministerin Rice. „2004 wurden nicht weniger als 17 Journalisten tätlich angegriffen. Im vergangenen März sind zwei weitere Journalisten Opfer schwerer Übergriffe geworden. Die dauernde Gewalt gegen Journalisten stellt die ernsthafteste Bedrohung der Pressefreiheit in Russland dar“, heißt es in dem Schreiben.

Hartes Durchgreifen gegen Journalisten ist auch in Weißrussland an der Tagesordnung. So wurden bei einer Kundgebung aus Anlass des 19. Jahrestages von Tschernobyl vergangene Woche in Minsk zwei russische Journalisten festgenommen und zu acht bzw. elf Tagen Haft verurteilt. Ihr Vergehen: Sie hatten über die Demo, die sich gegen den autoritären Staatschef Lukaschenko richtete, berichtet. Trotz Verhaftungen, Gerichtsverfahren und der Beschlagnahme von Equipment halten einige Zeitungen dem Druck noch stand.

Ganz anders in Turkmenistan, wo ausnahmslos alle Medien Staatschef Saparmurat Nijasow huldigen. Getreu der Devise „Wenn schon isolieren, dann richtig“ erließ Nijasow kürzlich ein Dekret. Fortan ist ausländischen Postdiensten verboten, Druckerzeugnisse nach Turkmenistan zu liefern.