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Archiv-Artikel

Romantik hat einen feinherben Preis

RAKETE 2000 Die Berliner Lesebühne liest gewöhnlich nur im Ä, bald vor taz-Kulisse. Wer ist sie bloß?

Romantik ist Porno für Frauen, oder Romantik ist Porno plus soziale Absicherung? Nichts davon. Romantik ist, wenn man beim Kotzen die Haare gehalten bekommt. Die Damen von der Berliner Lesebühne „Rakete 2000“ – also: Mareike Barmeyer, Lea Streisand und Jacinta Nandi – nehmen kein Blatt von den Mund, wenn sie einmal im Monat im Neuköllner Ä ihre Kurzgeschichten lesen.

Nach mittlerweile vier Jahren haben sie mit ihren Geschichten nicht nur ein anhängliches Publikum, sondern auch den Preis der „Berliner Lesebühne des Jahres“ gewonnen. Studierende der Freien Universität initiierten dieses Jahr diesen Lesebühnenpreis, und die Rakete 2000 gehört zusammen mit den Lesenden der „Chaussee der Enthusiasten“ zu den Gewinnern.

Die Storys der Rakete 2000 folgen jeden Monat einem neuen Motto. Und da im Februar ja gerade irgendwie schon wieder der Valentinstag anstand, war das Motto „Love is in the Ä“ passend. Wie das dann live aussieht? Das Ä ist voll und verraucht. Die Zuhörer – allesamt schöne Menschen mit Bier und selbst gedrehten Zigaretten in den Händen. Gleich zu Beginn bittet Lea Streisand, das Rauchen einzustellen, denn alle drei Rakete-Leserinnen sind krank. Das allerdings vergisst man nach ersten Wortgewittern. Klanglich unterstützt wird das Lesetrio durch Sven van Thom, der mit Gitarre, iPod und romantischen Liedern über Naziväter und erste Abstürze im Gepäck da ist.

Die Engländerin Jacinta Nandi gibt zu, dass sie Blumen, Schmuck und Pralinen total unsexy findet, dafür aber ein englisches Frühstück am Morgen danach ihr der romantischste Liebesbeweis sei. Kurz: Die Geschichten drehen sich alle um das weite Feld der Romantik, das Spektrum reicht von nostalgischen Jugenderinnerungen und den ersten Erfahrungen mit Jünglingen, die nach Davidoff Cool Water duften, über eine Jugend in verkifften New Yorker Apartments bis hin zur Frage: Hochzeitsfotos: ja oder nein? Schließlich kosten sie viel zu viel Geld … Feministisch scheint es zu werden, wenn Streisand über den ewig lesenden und abgelenkten Mann jammert und gleichzeitig feststellt: Frauen sind dazu erzogen, auf Komplimente zu warten, auf die von Männern besonders. Wer wollte, durfte das als Frauenpower mit einer Prise Gefühlsaufwühlung verstehen. Wobei bis an die Schwelle zur Nacht offenblieb, was das überhaupt sein könnte: Pornografie – im vorlesenden Kontext. CHARLOTTE LANGENKAMP