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Archiv-Artikel

Eine Frage der Glaubwürdigkeit

PROZESS Vor dem Landgericht Hamburg steht ein 22-Jähriger, der seine 17-jährige Frau und seine Geliebte schwer misshandelt haben soll. Eine Lüge, behauptet der Angeklagte

Die Zuhörer im Gerichtssaal hören auf zu lachen, als es um die weiteren Vorwürfe geht

VON FRIEDERIKE GRÄFF

Am Ende dieses langen Verhandlungstages gibt der Richter dem Angeklagten noch einen Rat: Er solle sich doch die Lichtbilder der Akte noch einmal ansehen. Die Bilder zeigen die Verletzungen seiner Verlobten, der damals 17-jährige Noushin Z.: Die Rechtsmedizinerin, die sie begutachtet hat, soll gesagt haben, dass sie solche Verletzungen selten sehe. Verursacht hat sie laut Anklage der 22-jährige Sayed K., der aber bestreitet die Vorwürfe. Nicht er, sondern seine zeitweise Geliebte Sabrina X., zum Zeitpunkt der Tat 18 Jahre alt, habe Noushin Z. die Verletzungen zugefügt, sagt er – weil sich die beiden aus Eifersucht immer wieder gestritten hätten.

Viele seiner Aussagen allerdings wirken wenig glaubwürdig. Und ginge es nicht um ein Delikt wie gefährliche Körperverletzung, könnte man es lustig finden, dass Sayed K. erklärt, die körperlich kräftige Sabrina X. habe ihn nahezu vergewaltigt. Die Zuhörer im Hamburger Landgericht hören auf zu lachen, als es um die weiteren Vorwürfe geht: In der 10. Woche schwanger war Sabrina X., als Sayed K. ihr gezielt in den Bauch getreten haben soll, um die Schwangerschaft zu beenden.

Sayed K. trägt langes Haar und Koteletten, Hemd zu den Jeans, er ist eher schmächtig als kräftig. Es scheint, als wirke er anziehend auf Frauen, zumindest taucht in der Anklage noch eine dritte auf, mit der er Geschlechtsverkehr gehabt haben soll, um sie anschließend in der Wohnung einzuschließen. Auf jeden Fall ist Sayed K. ein Mann, dem, so sonderbar das wirken mag, Bildung wichtig ist: Obwohl erst mit 17 Jahren aus dem Iran nach Deutschland gekommen, spricht er fließend und gewählt Deutsch, und wenn man ihm glauben darf, war es ihm ein großes Anliegen, dass Noushin Z. regelmäßig die Schule besuchte. Der Angeklagte soll sie in einem Chatroom kennengelernt haben, dann soll ihn das Mädchen ohne Wissen der Eltern eine Woche lang in Hamburg besucht haben, bis sie von der Polizei wieder zur Familie nach Bremen gebracht wurde. Dort hat Sayed K. einen Monat verbracht, bei einer Familie, die er traditionell nennt. Seinem Ton ist zu entnehmen, dass er das nicht als sonderlich positiv empfindet: Die Eltern hätten kaum Deutsch gesprochen, die Mutter trüge Kopftuch. Er habe ihnen Deutschstunden gegeben – und einzig der Mutter zuliebe Noushin Z. nach islamischen Recht geheiratet. Seit August lebt das Paar zusammen in Hamburg, und seitdem soll er Noushin Z. misshandelt haben.

Es bleibt einiges rätselhaft an diesem ersten Verhandlungstag: Wie konnten die beiden als konservativ geltenden Familien das Opfer so lange in der Obhut von Sayed K. lassen, obwohl mehrfach die Polizei gerufen wurde?

Nahezu typisch – und darin nicht weniger fatal – ist das Verhalten des Opfers Noushin Z.: Die Anzeige gegen Sayed K. zog sie zurück und behauptete, an dem Tag, als sie bei der Polizei erstattet wurde, überhaupt nicht in Hamburg gewesen zu sein. Ihr Mann nennt sie eine Lügnerin, der nicht zu glauben sei. Nun ist sie Nebenklägerin, gemeinsam mit Sabrina X.

Die Frage, wer in dieser Verhandlung glaubwürdig ist, wird das Gericht in den kommenden Wochen beschäftigen. Währenddessen wird eine Gutachterin versuchen zu ergründen, was in Sayed K. vorgeht.