Prognose zu Wüstenbildung: Spanien auf dem Trockenen
Fast die Hälfte Spaniens ist von Wüstenbildung bedroht. Das zeigt eine wissenschaftliche Untersuchung. Eine Region ist besonders gefährdet.
Über 43 Prozent Spaniens sind von Versteppung und Wüstenbildung bedroht. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung von über 40 Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Universitäten in Zusammenarbeit mit dem spanischen Wissenschaftsrat (CSIC). Sie haben jetzt einen „Atlas der Wüstenbildung in Spanien“ vorgelegt.
Spanien stehe – so der Atlas – vor „einer kollektiven Herausforderung“. „Unser Lebensmodell trägt zur Umweltzerstörung bei“. Das sei nur „durch tiefgreifende Veränderungen in Produktion und Konsum auszugleichen“, heißt es weiter. Es geht dabei neben dem Klimawandel, um die Ausbeutung der Ländereien durch menschliche Aktivitäten, sei es Landwirtschaft, Viehzucht oder Tourismus.
Der vom Umweltministerium mit EU-Geldern finanzierte Atlas wurde am Donnerstag in Alicante von den Projektkoordinatoren, dem Wissenschaftler der Versuchsstation für Trockengebiete des CSIC, Jaime Martínez Valderrama, und dem Leiter des Labors für Klimatologie der Universität Alicante, Professor Jorge Olcina, vorgestellt. „Wir wollen ein sehr komplexes Problem darzustellen und Lösungsansätze aufzeigen“, erklärt Martínez Valderrama.
Die Wissenschaftler legten ihrer Untersuchung und den daraus entstandenen Karten Daten aus dem Jahr 2020 zugrunde. Dabei flossen Indikatoren wie die Abnahme von Grundwasser, der Rückgang von Feuchtgebieten und die sich verändernde Bodenbeschaffenheit ein. Die 66 Karten zeigen Klima und dessen Veränderung, Wasservorkommen, Bodenbeschaffenheit, die Waldgebiete und die Biodiversität.
Fast die Hälfte des Landes ist gefährdet
206.203 der insgesamt 500.000 Quadratkilometer Spaniens – 43,35 Prozent – sind von Verödung und Wüstenbildung gefährdet. Das ist fast doppelt so viel wie in früheren Studien. Denn erstmals flossen auch Daten über Wasservorkommen in den einzelnen Regionen ein. Gegenden, in den mehr Wasser verbraucht wird, als dort vorkommt, oder wo die Grundwasserschichten zu stark ausgebeutet werden, gelten nun auch als gefährdet und degradiert, auch wenn davon erst einmal nichts zu sehen ist.
Die am stärksten degradierte Region ist Murcia. Dort sind 99,8 Prozent Trockengebiet und wären längst verödet, würde nicht Wasser aus dem Landesinneren über Kanäle zu den Feldern für Zitrusfrüchte und in die Tourismussiedlungen gebracht. Andere beliebte Urlaubsgebiete, wie etwa die Kanarischen Inseln, können nur per energieintensiver Meerwasserentsalzung den Bedarf an Wasser decken. Dort sind – so der Atlas – 92,7 Prozent völlig trocken. Auf den Balearen sind es 85,4 Prozent.
Auch Teile des Landesinneren von der Mancha bis hin zur Extremadura sind betroffen. Und selbst weiter im Norden, dort wo exzessiver Weinbau betreiben wird, wie etwa in der Rioja oder am Duero wird das Wasser immer knapper, die Böden degradieren. Paradoxerweise gilt auch das Tal des größten spanischen Flusses Ebro sowie Teile des südspanischen Tales des Guadalquivir gefährdet.
Martínez Valderrama fordert zum Umdenken auf. „Wir wissen, dass die Wirtschaft profitiert, wenn die Umwelt geschont wird“, sagt er. Deshalb gelte es, ein Gleichgewicht finden zwischen Umwelt und Wirtschaft zu finden. Martínez Valderrama erinnerte daran, dass vier von fünf Spaniern in Trockengebieten leben, viele angelockt von milderen klimatischen Bedingungen.
Lösungen gesucht
Olcina sucht nach Lösungen. Er fordert „die vollständige Wiederverwendung von Abwasser“. Von dem in den städtischen Ballungsgebieten verbrauchten Wasser werden derzeit nur 12 Prozent nach der Reinigung einer Zweitverwertung zugeführt. Außerdem schlägt er vor „die Baueuphorie einzudämmen“. Es sei eine gründliche Analyse notwendig, „wo gebaut werden soll und welche Wasserkosten dadurch entstehen“.
„Die Bekämpfung der Wüstenbildung erfordert letztlich einen Wertewandel und ein tieferes Verständnis der sozioökologischen Systeme, in denen wir leben“, heißt es im Schlusswort des Atlas.
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